Rz. 1
Bestimmte Situationen erfordern eine sichere vertragliche Gestaltung, sodass sich zur sicheren Kaufvertragsabwicklung eine Kaufpreisverwahrung aufdrängt. Der Notar darf Geld zur Verwahrung auf ein Notaranderkonto im Grundsatz aber nur entgegennehmen, wenn für die Beteiligten ein berechtigtes Sicherungsinteresse vorliegt (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 BeurkG).
Im Einzelfall liegt die Beurteilung im Ermessen des Notars, ob die Verwahrung vorgenommen wird. Gerichtlich ist der Beurteilungsspielraum des Notars nur eingeschränkt von der Dienstaufsicht überprüfbar. Eine grundlos systematische Verwendung von Notaranderkonten kann die Dienstaufsicht in der Regel gut erkennen und ahnden.
Der Notar ist zur Urkundengewährung (§ 15 Abs. 1 BNotO) verpflichtet. Er ist jedoch nicht verpflichtet, eine Kaufpreisverwahrung zu übernehmen, auch dann nicht, wenn die beabsichtigte Verwahrung durch eine Beurkundung des Notars veranlasst ist. Die Ablehnung eines Verwahrungsgeschäfts kann nur nach pflichtgemäßem Ermessen des Notars erfolgen.
Rz. 2
Ein berechtigtes Sicherungsinteresse für die Kaufpreisverwahrung liegt z.B. vor:
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Der Käufer will den Kaufpreis erst zahlen, wenn ihm die gekaufte Immobilie geräumt übergeben wurde. Der Verkäufer ist dazu nicht bereit, will seine Immobilie erst verlassen und räumen, nach Erhalt des Kaufpreises. Beide Willen sind verständlich. Der Käufer will sich vor erheblichen Gefahren einer wirtschaftlichen Vorleistung schützen. Er will einer zeitintensiven kostspieligen Räumungsklage gegen den Verkäufer vorbeugen. Der Verkäufer will keine vorzeitige Übergabe leisten, weil er befürchtet, den vereinbarten Kaufpreis im Nachhinein ggf. nicht zu erhalten. In diesem Fall kommt die Abwicklung des Kaufpreises über ein Notaranderkonto in Betracht, sie kommt einer Abwicklung "Ware gegen Geld" nahe. |
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Eine hoch belastete oder überschuldete und/oder mit Zwangsversteigerung beschlagnahmte Immobilie wird verkauft. |
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Verkauft der Testamentsvollstrecker (nach Annahme seines Amtes) ein Nachlassgrundstück ohne unentgeltliche Verfügung, legitimiert er sich bei Abschluss des Kaufvertrags durch eine Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses, ggf. auch nur durch seine notariell beglaubigte Annahmeerklärung. Es verbleibt das Problem, dass nach Beurkundung und noch vor Eigentumsumschreibung auf den Käufer das Amt des Testamentsvollstreckers enden könnte, etwa durch Tod oder Amtsniederlegung des Testamentsvollstreckers. Die Beendigung des Amtes bedeutet dann den Fortfall der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers. Das berechtigte Sicherungsinteresse für eine Kaufpreisverwahrung leuchtet damit ein. Erst nachdem sich der Testamentsvollstrecker nach erfolgter Eigentumsumschreibung erneut legitimiert hat, wird der bis zu diesem Zeitpunkt verwahrte Kaufpreis ausgezahlt. |
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Verkauft ein Insolvenz- oder Nachlassverwalter eine Immobilie, ist die Problematik dieselbe wie beim verkaufenden Testamentsvollstrecker, sodass der Kaufpreis bis zu dem Zeitpunkt der erfolgten Eigentumsumschreibung auf dem Notaranderkonto verwahrt werden sollte. |
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Hat der Immobilienverkäufer Schwierigkeiten, seine Löschungsunterlagen für ein abzulösendes Grundpfandrecht beizubringen, weil der Grundschuld- oder Hypothekenbrief verloren ging, haben die Vertragsparteien ein berechtigtes Sicherungsinteresse für die Kaufpreisverwahrung. Die Verwahrung des gesamten Kaufpreises bis zum Zeitpunkt der Sicherstellung der Löschung ist eine zulässige Lösung. Die Vertragsparteien und die finanzierende Gläubigerin können sich auch mit einer Kaufpreisverwahrung nur über einen angemessenen Teil einverstanden erklären. Es kann vereinbart werden, dass nach Ablauf eines längeren Zeitabschnitts, wenn der nicht zum Erfolg der Kraftloserklärung des Briefes führte, der Käufer das Grundpfandrecht übernehmen muss gegen Zahlung des auf dem Notaranderkonto verwahrten Teilbetrags. Bei der Bemessung eines Einbehaltes sollte bedacht werden, dass die Banken Minuszinsen oder Gebühren verlangen können, insbesondere wenn die Verwahrung über Jahre andauern kann. Der Notar ist berechtigt, die auf dem Notaranderkonto entstandenen Kontoführungsgebühren und -spesen einzubehalten. Um einer Unterdeckung vorzubeugen, sollte ein angemessener Betrag zur Sicherung dieser Kosten von vornherein mit eingeplant werden. In der Praxis lassen sich die Kreditinstitute oft nicht mehr darauf ein, eine gebühren- und spesenfreie Führung des Notaranderkontos vorzunehmen. |