Rz. 140

 

Beispiel

Die Eheleute haben 1964 einen Gütertrennungsvertrag abgeschlossen. Da der Ehemann aus seiner ersten wie aus seiner jetzigen Ehe Kinder besitzt, fragt er, ob die Vereinbarung einer Zugewinngemeinschaft zur Reduzierung des Pflichtteils geeignet ist und ob dabei auch eine rückwirkende Vereinbarung Vorteile bringt. Er ist 14 Jahre älter als seine Ehefrau und schwer krank.

 

Rz. 141

Die Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft wegen des Entstehens des Zusatzerbteils des § 1371 Abs. 1 BGB ist ein probates Mittel, um den Pflichtteil der anderen Berechtigten zu reduzieren (siehe Rdn 131 ff.). Nach den von BGHZ 116, 178 entwickelten Kriterien wird grundsätzlich in dieser ehevertraglichen Vereinbarung keine ergänzungspflichtige Schenkung (§ 2325 BGB) zu sehen sein (siehe Rdn 125). Eine "Rückwirkung" im eigentlichen Sinne tritt dabei nicht ein, wenn es zur erbrechtlichen Lösung kommt, weil die Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB mit Abschluss des Ehevertrages erfolgt. Dagegen wird die Frage der Rückwirkung dann bedeutsam, wenn es zur güterrechtlichen Lösung (§ 1371 Abs. 2 und 3 BGB) kommt, denn wenn hier als Anfangsvermögen i.S.v. § 1374 Abs. 1 BGB nicht das bei Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft vorhandene Vermögen, sondern abweichend von der gesetzlichen Regelung bereits das bei Eheschließung vorhandene Vermögen bestimmt wird, erhöht sich dadurch der Zugewinnausgleich des einen Ehegatten, der gegenüber den anderen Pflichtteilsansprüchen vorrangig ist. Nach allgemeinem Zivilrecht ist zunächst im Verhältnis der Ehegatten untereinander eine solche Vereinbarung über einen anderen Berechnungszeitpunkt für das Anfangsvermögen zulässig.[262] Würde man aber diese Gestaltung zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten anerkennen, könnte damit deren Pflichtteil ganz erheblich reduziert werden. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass in dieser abweichenden Vereinbarung über den Berechnungszeitraum eine ergänzungspflichtige Zuwendung gesehen wird.[263] In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass es nicht möglich ist, die Erbteilsquote des § 1371 Abs. 1 BGB, um die sich der Ehegattenerbteil bei der Zugewinngemeinschaft erhöht, abzuändern, weil dadurch in die Erb- und Pflichtteile der anderen eingegriffen wird.[264]

[262] BGH FamRZ 1998, 903; Staudinger/Thiele, § 1374 Rn 19, 49.
[263] So Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 14a, der eine ehebezogene, aber ergänzungspflichtige Zuwendung annimmt. Zur Vorsicht warnt daher zu Recht Gutachten DNotI-Report 1996, 133, 134.
[264] Staudinger/Thiele, § 1371 Rn 133 m.w.N.

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