Rz. 35

Gefahren können sich bei der vorweggenommenen Erbfolge für den Übernehmer daraus ergeben, dass der Übergeber ohne dessen Mitwirkung und "hinter seinem Rücken" durch bloße (allerdings formbedürftige) Vereinbarung mit dem Verzichtenden den Pflichtteilsverzicht nach § 2351 BGB wieder aufheben kann. Fehlt es an einer ausdrücklichen vertraglichen Störfallvorsorge, so dürfte in der Tat die Möglichkeit zur Beseitigung des Pflichtteilsverzichts hinter dem Rücken des Übernehmers bestehen. Im Einzelfall kann allerdings § 242 BGB der Berufung auf die Wirksamkeit der Aufhebung des Pflichtteilsverzichts entgegengehalten werden, wenn die Vereinbarung unter Einbeziehung auch der anderen Kinder aufgrund eines von allen getragenen Konzepts über die Nachlassverteilung erfolgte.[62] Sehr weit geht allerdings Lange/Kuchinke,[63] wonach man bereits aus der Interessenlage bei einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht i.d.R. zugleich die Vereinbarung einer Unterlassungsverpflichtung annehmen kann.

 

Rz. 36

Jedoch bestehen vertragliche Regelungsmöglichkeiten: (1) So soll eine Aufhebung jedenfalls dann nicht mehr möglich sein, wenn sich der Erblasser gegenüber dem Übernehmer verpflichtet hat, die Aufhebung des Pflichtteilsverzichts zu unterlassen, was rechtlich zulässig ist, da es sich dabei um einen Vertrag unter Lebenden handelt und § 2302 BGB damit nicht anwendbar ist.[64] Einer absoluten Unwirksamkeit einer später trotzdem versuchten Aufhebung steht hier nicht § 137 S. 1 BGB entgegen, da diese Vorschrift nur rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen in Bezug auf kraft Gesetzes veräußerliche Rechte betrifft[65] und der Pflichtteilsanspruch vor Eintritt des Erbfalls gerade noch nicht übertragbar ist.[66] Zumindest entsteht bei Nichteinhaltung der Verpflichtung ein Schadensersatzanspruch des Übernehmers gegen den Erblasser, der den (wiederauflebenden) Pflichtteilsanspruch des aus dem Aufhebungsvertrag Begünstigten kompensieren kann. (2) Möglich ist auch eine Vereinbarung nach § 311b Abs. 5 BGB des Verzichtenden gegenüber dem Übernehmer, dass der Pflichtteilsberechtigte auch bei einer Aufhebung des Pflichtteilsverzichts seinen Pflichtteilsanspruch nach dem Erbfall nicht geltend macht. Dies hat allerdings nur schuldrechtliche Wirkung und ist nur zwischen den künftigen gesetzlichen Erben des Erblassers möglich, was nicht immer der Fall ist.[67] (3) Daneben kann sich auch der verzichtende Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Übernehmer verpflichten, den Pflichtteilsverzicht nicht mehr aufzuheben, was nicht den Beschränkungen des § 311b Abs. 5 BGB unterliegt.[68] Bei einem Verstoß entsteht dann ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch des Übernehmers gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten.

[62] Schindler, DNotZ 2004, 824, 836.
[63] Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, § 25 V 5 b (3).
[64] MüKo-BGB/Musielak, § 2287 Rn 10; vgl. dazu den Fall von OLG Karlsruhe ZEV 2000, 108, 110 f (wo zu sehr mit Vertrauensschutzargumenten gearbeitet wird) und Beschluss des BGH hierzu vom 6.10.1999, AZ IV ZA 4/99; zur Nichtanwendbarkeit von § 2302 BGB siehe auch Quantius, Die Aufhebung des Erbverzichts, 2001, S 35 f; für Vereinbarung einer entsprechenden Vereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter, nämlich des Vertragserben, Nieder/Kössinger, Testamentsgestaltung, § 12 Rn 43.
[65] Staudinger/Kohler, § 137 Rn 12 m.w.N.
[66] Übersehen bei Schindler, DNotZ 2004, 824, 835.
[67] Dazu das Beisp. bei Schindler, DNotZ 2004, 824, 836 f.
[68] Staudinger/Schumacher, § 311b Abs. 4 und 5 Rn 4; anders möglicherweise Damrau, ZErb 2004, 206, 209.

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