Rz. 12

Von einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht spricht man, wenn er gegen eine Abfindung zugunsten des Verzichtenden erklärt wird (vgl. dazu bereits Rdn 3).

aa) Kausalgeschäft

 

Rz. 13

Dem Pflichtteilsverzicht als reines Verfügungsgeschäft liegt ebenso wie dem Erbverzicht regelmäßig ein entsprechendes schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft[17] zugrunde, wenn er gegen Abfindung erklärt wird. Dieses Kausalgeschäft bedarf der gleichen Form wie der Verzicht als Erfüllungsgeschäft;[18] bei Übergabeverträgen ergibt sich die Formbedürftigkeit i.d.R. meist schon aus § 311b Abs. 1 BGB.[19] Durch dieses wird ein synallagmatischer Zusammenhang zwischen Abfindungsleistung und Verzichtserklärung begründet, so dass auf Leistungsstörungen die Bestimmungen über schuldrechtliche Verträge, insbesondere die §§ 320 ff. BGB, anwendbar sind.[20] Zwischen beiden Rechtsgeschäften kann aber auch nur ein bloßer Bedingungszusammenhang bestehen (§ 158 BGB).[21]

[17] Ausführlich etwa Groll/Muscheler, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, B XV Rn 116 m.w.N.
[18] OLG Köln ZEV 2011, 384 = DNotZ 2011, 344; Palandt/Weidlich, § 2348 Rn 1; dazu Schotten, DNotZ 1998, 163 ff.; Heilungsmöglichkeit umstritten, offen lassend BGH NJW-RR 2012, 332 = ZEV 2012, 145 m. Anm. Keim.
[19] Vgl. etwa Weirich, DNotZ 1986, 5, 13; und eingehend Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 115 ff.
[20] Groll/Muscheler, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, B XV Rn 118; zu den Auswirkungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auf diese Fragen siehe Krug, Schuldrechtsmodernisierung und Erbrecht, 2002, Rn 239 ff.
[21] Edenfeld, ZEV 1997, 134 (allerdings nicht praxisbezogen).

bb) Zur Absicherung des Verzichtenden

 

Rz. 14

Zur Absicherung der Verzichtenden sind möglich:

bei Geldleistungen eine notariell zu beurkundende Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), u.U. auch Absicherung über eine Hypothek oder Sicherungsgrundschuld gerade bei langfristigen Zahlungsversprechen (Rangstelle wichtig);
die Vereinbarung von Bedingungen, durch welche die Abfindungsverpflichtung mit dem (für sich gesehen) abstrakten Pflichtteilsverzicht gekoppelt wird.[22]

Formulierungsvorschläge: Münchener Vertragshandbuch/Otto, Bürgerliches Recht, VI/2, Form. XVI. 1.

 

Rz. 15

Es darf nicht verkannt werden, dass die Bedingungslösung Nachteile haben kann. Dies sind:[23]

Nachweis der Leistungserbringung, denn bis zur Erfüllung der Abfindungsleistung gilt die aufschiebende Bedingung als noch nicht eingetreten. Noch schwieriger ist die "negative Tatsache" der nicht fristgerechten Leistungserbringung bei einer auflösenden Bedingung.
Nicht selten wird im Nachhinein auf einen Teil der Abfindung verzichtet; dann kann aber eine Wirksamkeit des Verzichts nur eintreten, wenn die Verzichtserklärung in notarieller Form entsprechend angepasst wird.
Wie sind Teilleistungen zu behandeln? Hier sollte vereinbart werden, dass diese wenigstens auf den Pflichtteil angerechnet werden (§ 2315 BGB).
Strittig ist, ob der Bedingungseintritt auch nach dem plötzlichen Tod des Erblassers noch eintreten kann (ausführlich siehe Rdn 17 ff.).
[22] Vgl. Palandt/Weidlich, § 2346 Rn 10; Groll/Muscheler, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, B XV 141 ff.
[23] Vgl. auch J. Mayer/Geck, Der Übergabevertrag, § 10 Rn 17 ff.

cc) Anpassung an veränderte Verhältnisse

 

Rz. 16

Nicht zu unterschätzende Probleme können dann auftreten, wenn zwischen der Vereinbarung des entgeltlichen Pflichtteilsverzichts und dem Eintritt des Erbfalls eine erhebliche Vermehrung des Vermögens des Erblassers eintritt und damit ein wesentlich größerer Nachlass hinterlassen wird. Der Verzichtende wird sich nicht selten dann darauf berufen, dass die vereinbarte Abfindung zu niedrig bemessen wäre. Hierzu ist jedoch Folgendes zu berücksichtigen: Zum einen ist ein entgeltlicher Erb- und Pflichtteilsverzicht ohnehin ein Wagnisgeschäft, weil sich bei seinem Abschluss nie genau voraussagen lässt, wie die Vermögens- und Wertverhältnisse des Erblassers im Erbfall sein werden. Aber auch dann, wenn ausnahmsweise die Rspr. diesen Einwand zulässt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des eigentlichen Verzichts als abstraktem Verfügungsgeschäft. Vielmehr erfolgt eine Anpassung des Kausalgeschäfts nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB n.F.).[24] Daher kann eine klarstellende Vereinbarung angezeigt sein, dass der Pflichtteilsverzicht unabhängig von der weiteren Entwicklung der Vermögensverhältnisse des Erblassers erfolgt.

[24] Vgl. OLG Hamm ZEV 2000, 507 m. Anm. Kuchinke bei Irrtum über die Wertlosigkeit des in der früheren DDR belegenen Grundbesitzes bei Erbverzicht vor der Wiedervereinigung.

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