1. Zweck der Pflichtteilsklauseln
Rz. 39
Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge können einen hohen Unsicherheits- und Störfaktor bei der Nachlassplanung von Ehegatten darstellen, wenn sich die Ehegatten zunächst gegenseitig zu alleinigen Erben berufen wollen, insbesondere im Fall der sog. Einheitslösung des Berliner Testaments (§ 2269 BGB). So kann der längerlebende Ehegatte wirtschaftlich mit einer erheblichen Auszahlungsverpflichtung belastet sein, wenn sich pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge nicht bis zum Schlusserbfall begnügen. Des Weiteren führt das Pflichtteilsverlangen durch einzelne Abkömmlinge bereits nach Eintritt des ersten Erbfalls zu einer ganz anderen Nachlassbeteiligung, als die Ehegatten sich das vorgestellt hatten. Denn der entsprechende Abkömmling erhält zunächst bereits seinen Pflichtteil aus dem Nachlass des erstversterbenden Elternteils, verliert dadurch kraft Gesetzes aber nicht seine Schlusserbenstellung und bekommt damit im zweiten Erbfall immer noch die ihm zugedachte Erbquote, die er allerdings entgegen der Erwartung der Eltern um den vorab geltend gemachten Pflichtteil und zu Lasten seiner "loyalen Geschwister" u.U. beträchtlich erhöht hat. Durch eine Testamentsgestaltung mit sog. Pflichtteilsklauseln versucht man, die unerwünschte Pflichtteilsforderung im ersten Erbfall zu verhindern, indem die Pflichtteilsgeltendmachung wirtschaftlich möglichst uninteressant gemacht werden soll.
Rz. 40
Pflichtteilsklauseln bezwecken daher:
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die Verringerung der Liquiditätsbelastung des längerlebenden Ehegatten vor Pflichtteilsansprüchen und den damit auch verbundenen persönlichen Belastungen anlässlich der Pflichtteilsgeltendmachung; |
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die Vermeidung einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Kindes, das vorzeitig seinen Pflichtteil verlangt; |
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die Belohnung der "loyalen" Kinder, die den letzten Willen der Eltern respektieren, durch Sicherung der als angemessen betrachteten Nachlassbeteiligung. |
2. Wirkung von Pflichtteilsklauseln
Rz. 41
Pflichtteilsklauseln arbeiten mit dem Prinzip von "Drohung und Verlockung" oder mit Abschreckungs- und zuteilender Wirkung.
Rz. 42
Die "Abschreckungswirkung" soll dadurch erreicht werden, dass der "illoyale" Abkömmling, der bereits nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil verlangt, beim Tod des zweiten Elternteils "enterbt" wird, oder dass der geltend gemachte Pflichtteil auf die ihm an sich zugedachte Erbquote wenigstens angerechnet wird. Wird die Enterbungslösung gewählt, so ist die Schlusserbenstellung auflösend bedingt durch das Verlangen oder die Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs. Haben die Eltern sich dagegen für die sog. Trennungslösung entschieden, so kann nach dem Tod des ersten Elternteils der zum (Mit-)Nacherben berufene Abkömmling seinen Pflichtteil ohnehin nur beanspruchen, wenn er bereits vor Eintritt des Nacherbfalls die Nacherbschaft ausschlägt (§ 2306 Abs. 2 BGB). Insoweit bedarf es keiner weiteren Anordnung. Hinsichtlich des Eigennachlasses des längerlebenden Elternteils ist aber auch hier die gleiche Regelung wie beim Berliner Testament erforderlich. Die Trennungslösung führt insbesondere dann, wenn der Nachlass des erstversterbenden Elternteils größer als der des Längerlebenden ist, zu einer ganz erheblichen Pflichtteilsreduzierung, und ist jeder Pflichtteilsklausel überlegen.
Rz. 43
Der Abschreckungseffekt ist aber u.U. nur sehr begrenzt, insbesondere wenn das Eigenvermögen des längerlebenden Ehegatten im Verhältnis zu dem des erstversterbenden Elternteils relativ klein ist, da sich dann der angedrohte Wegfall der Schlusserbeneinsetzung wirtschaftlich nicht so bedeutend auswirkt.
Rz. 44
Neben diesen rein negativ, weil enterbend wirkenden Klauseln finden sich auch solche, die eine zusätzliche Zuteilung von Nachlassvermögen gewähren. So ist es auch möglich, die ihren Pflichtteil nicht verlangenden, loyalen Abkömmlinge zu belohnen, indem ihnen bereits nach dem ersten Erbfall ein Vermächtnis in beliebiger Höhe zugewandt wird, meist in Geld und in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils. Um den längerlebenden Elternteil vor den nachteiligen Folgen der sofortigen Auszahlung zu bewahren, ist dieses Vermächtnis aber noch nicht zu seinen Lebzeiten zu erfüllen. Entweder wird es bis zum Tod des zweiten Ehegatten gestundet oder sogar aufschiebend befristet erst für diesen Fall angeordnet. Tatbestandsmäßig kann die Vermächtniszuweisung dadurch bedingt sein, dass sie erst bei einem entsprechenden Pflichtteilsverlangen eines der anderen Abkömmlinge eingreift, wie bei der berühmten "Jastrow’schen Klausel" (siehe Rdn 57 ff.).
Rz. 45
Die andere Gestaltungsalternative sieht vor, den Abkömmlingen jeweils ein mit dem Tod des erstverster...