Rz. 24
Formulierungsvorschläge für Herausgabevermächtnis: Keim/Lehmann, Beck’sches Formularbuch Erbrecht, C II. 2; Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung, 6. Kap. Rn 68; Münchener Vertragshandbuch/Otto, Bürgerliches Recht II, VI/2 Form. XII.6; Abele/Klinger/Maulbetsch, § 6 Rn 83.
1. Allgemeines
Rz. 25
Als Alternative zur Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft mit den erheblichen Bindungswirkungen und Nachteilen kann sich ein aufschiebend bedingtes bzw. befristetes Herausgabevermächtnis auf den Tod des Erben empfehlen. Überlegen ist die Vermächtnislösung der Nacherbschaft insoweit, als dem mit dem Vermächtnis beschwerten Erben in einem sehr großen Umfang durch die §§ 2151, 2153, 2156 BGB die Umverteilung hinsichtlich der Erbschaft ermöglicht werden kann; daneben kommt noch eine kumulative Zweckauflage (§ 2193 BGB) in Betracht, um noch weitergehende Drittbestimmungsmöglichkeiten zu eröffnen. Demgegenüber sind bei der Nacherbschaft solchen Möglichkeiten wegen des dort geltenden § 2065 BGB sehr enge Grenzen gesetzt, wenn man nicht mit der auflösend bedingten Nacherbschaft arbeiten will, wobei jedoch bei Bedingungseintritt die gesamten Vorteile dieser Konstruktion wieder entfallen. Zunehmend Verwendung findet das Herausgabevermächtnis daher im Rahmen eines sog. Geschiedenen-Testaments und bei Patchworkfamilien.
2. Pflichtteilsfestigkeit
Rz. 26
Ein aufschiebend bedingtes Herausgabevermächtnis wird beim Tod des damit Beschwerten von der ganz h.M. als pflichtteilsfest angesehen. Es gehe den Pflichtteilsansprüchen der eigenen Pflichtteilsberechtigten des mit dem Vermächtnis belasteten Erben vor. Der Erbe habe das dem Vermächtnis unterliegende Vermögen bereits von Anfang an mit dieser Belastung erworben. Daher handele es sich um eine gegenüber diesen Pflichtteilsansprüchen vorrangige Erblasserschuld.
Rz. 27
Nur noch J. Mayer sah zuletzt diese Ansicht als problematisch an, wenn der Anfall des Vermächtnisses abweichend von § 2176 BGB erst mit dem Tod des Beschwerten eintritt. Eine solche Gestaltung ist in der Praxis häufig, wenn das Herausgabevermächtnis z.B. nur bei Eintritt bestimmter Bedingungen, die erst im Todesfall des beschwerten Erben endgültig bestimmbar sind, eintritt (wie z.B. beim typischen Geschiedenentestament, bei dem die Herausgabeverpflichtung nur eintreten soll, wenn der Nachlass tatsächlich an den anderen Elternteil oder dessen Verwandtschaft fallen sollte). Denn in einem solchen Fall habe der Begünstigte bis zum Eintritt der Bedingung nur eine durch § 2179 BGB rechtlich schwach geschützte Anwartschaft. Bei dieser sei fraglich, ob sie bei der Bewertung des Nachlasses für Pflichtteilszwecke (§ 2311 Abs. 1 BGB) als vorrangige Verbindlichkeit in Abzug gebracht werden dürfe und tatsächlich im Rang vor den Pflichtteilsansprüchen steht, die erst mit dem Tod des mit dem Vermächtnis Belasteten entstehen. Bis zu einer höchstricherlichen Klärung dieser Frage, empfahl daher J. Mayer als sichersten Weg in der Kautelarpraxis, das Herausgabevermächtnis immer mit dem Tod des Erben ausdrücklich anfallen zu lassen und erst mit dem Tod des Erben fällig zu stellen. Sollte dieses nur in bestimmten Fallkonstellationen gewünscht sein, sollte es sicherheitshalber nicht aufschiebend befristet, sondern nur bei "Nicht-Eintritt" bestimmter Bedingungen auf den Tod des beschwerten Erben auflösend bedingt formuliert werden.
Rz. 28
Besonders problematisch ist bei der Vermächtnislösung natürlich, wenn das Vermächtnisobjekt gar nicht von der gewählten Herausgabeverpflichtung erfasst wird. Zu beachten ist dabei, dass die dinglich wirkende Surrogationsvorschrift des § 2111 BGB nur bei der Vor- und Nacherbschaft, nicht aber beim Vor- und Nachvermächtnis bzw. einem Herausgabevermächtnis gilt. Annähernd vergleichbare Wirkungen müssen damit durch entsprechende zusätzliche Herausgabeverpflichtungen des Erben für die von ihm erlangten Ersatzgegenstände ausdrücklich formuliert werden.