Rz. 47

Die Ausschlagung nach § 2306 BGB durch einen geschäftsfähigen Menschen mit Behinderung ist ohne weiteres möglich. Wenn der Betroffene oder sein Betreuer, die grundsätzlich mögliche Ausschlagung verweigern, so ist das ein Rechtsanwendungsproblem, nicht aber ein Sittenwidrigkeitsproblem. Hier wird sich die sozialhilferechtliche Rechtsprechung entscheiden müssen, ob sie eine solche Verweigerung zulasten der Solidargemeinschaft als sozialwidrig betrachtet und Leistungen generell verweigert[88] oder auf die Mittel der Leistungsherabsetzung und der Kostenerstattung zurückgreift (§ 103 SGB XII, § 26 SGB XII), vgl. hierzu § 3 Rdn 544.

Scheut die Rechtsprechung aber davor zurück "Farbe zu bekennen", dann hat das keine Auswirkungen auf die Qualität der letztwilligen Verfügung. Sie wird dadurch nicht sittenwidrig.

 

Rz. 48

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Ausschlagung ggf. der Genehmigung des Betreuungsgerichtes bedarf. Für einen nicht geschäftsfähigen, unter Betreuung stehenden Menschen mit Behinderung bedarf die Ausschlagung durch den Betreuer der Genehmigung des Betreuungsgerichtes nach §§ 1908i, 1822 Nr. 2 BGB bzw. nach § 1851 Nr. 1 BGB n.F. ab 1.1.2023 (vgl. hierzu Fallbeispiel 36, siehe § 3 Rdn 449). Bisher sind Betreuungsgerichte durchaus zurückhaltend mit solchen Genehmigungen. Wenn dem behinderten Menschen aber "unter dem Strich" nichts zugutekommt, kann der Genehmigung der Ausschlagung das Wohl des behinderten Menschen nach § 1901 Abs. 2 BGB (§ 1821 BGB n.F.) nicht entgegenstehen. Es handelt sich also allenfalls um ein Rechtsanwendungsproblem. Wenn die Rechtsprechung die Genehmigung nicht erteilt, weil sie das Wohl des "Kindes" vor dessen Selbsthilfeverpflichtung setzt, so lässt sich daraus keine Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung herleiten.

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