Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 243
Fallbeispiel 96: Jeden Monat 2.000 DM
Die rechtlich unberatene Erblasserin verfügte in einem Behindertentestament zugunsten einer Verwandten, dass der Testamentsvollstrecker ihr monatlich 2.000 DM zuwenden solle, "damit es ihr weiterhin so gut gehe, wie bisher." Als das Sozialamt den Testamentsvollstrecker auf Herausgabe des Betrages in Anspruch nehmen wollte, beantragte der Testamentsvollstrecker nach § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB das Testament bezüglich dieser Verfügung außer Kraft zu setzen und im Sinne eines echten Behindertentestaments zu korrigieren. Der Sozialhilfeträger hält das für unzulässig, weil damit ein Schutz geschaffen werde, den die Erblasserin keinesfalls gewollt habe.
Rz. 244
Allgemein gilt, dass Verwaltungsanordnung des Erblassers nach § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB außer Kraft gesetzt werden können, wenn ihre Befolgung den Nachlass erheblich gefährden würde. Für eine Nachlassgefährdung reicht es aus, wenn diejenigen Interessen am Nachlass beteiligter Personen erheblich gefährdet werden, die der Erblasser durch seine Verwaltungsanordnungen hat fördern wollen.
Den Antrag auf Beseitigung der Verwaltungsanordnung können alle Personen stellen, die an der Aufhebung ein rechtliches Interesse haben. Neben dem Testamentsvollstrecker können deshalb auch alle Personen, die an der Aufhebung von Anordnungen des Erblassers ein rechtliches Interesse haben, also z.B. Erben, Vermächtnisnehmer und Auflagenberechtigte, einen entsprechenden Antrag stellen.
Nicht berechtigt sind allerdings die Privatgläubiger des Erben. Damit wird von der h.M. die Antragsberechtigung eines Sozialleistungsträgers grundsätzlich abgelehnt. Das gilt auch für die Beschwerdeberechtigung nach § 59 FamFG.
Rz. 245
Falllösung Fallbeispiel 96:
Rechtsprechung und Literatur gehen über das Recht zu Außerkraftsetzung sogar hinaus und halten es für zulässig, dass das Nachlassgericht die Verwaltungsanordnungen des Erblassers dadurch verändert, dass es ursprüngliche Anordnungen des Erblassers wiederherstellt bzw. korrigiert, was im Ergebnis bedeutet, aus einem fehlerhaften Testament ein "passendes" Behindertentestament zu machen.
Es bleibt dem Sozialhilfeträger in diesem Fall nur, mit seinen Mitteln zu reagieren. Möglich ist, dass der Sozialleistungsträger den Bedürftigen darauf verweist, dass er sich selbst helfen könne, indem er die Verwaltungsanordnungen angreift. In der Literatur wird dem Sozialleistungsträger z.T. empfohlen, die Leistungen darlehensweise zu erbringen und die Gewährung von einer dinglichen Sicherung durch Verpfändung oder Sicherungsübereignung der Nachlassgegenstände abhängig zu machen. Dann könne der Vorerbe vom Testamentsvollstrecker den Einsatz der Substanz verlangen. Dieser Anspruch sei vom Sozialleistungsträger dann überleitbar. Dagegen wendet sich die wohl h.M. mit dem aus dem Grundrecht der Testierfreiheit abgeleiteten Argument, dass der Erblasserwille, solange er nicht die Grenzen des Sittenwidrigen überschreite, gegenüber den Interessen und dem Gerechtigkeitsinteresse Dritter absoluten Vorrang genieße. Das Primärziel der Gestaltung eines solchen Testaments könne nach § 2116 Abs. 2 S. 2 BGB nicht ausgehebelt werden.