Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
Rz. 663
Stiftungen haben den Ruf, sich vorwiegend dazu zu eignen, große Vermögen zu privaten Zwecken auf Dauer gegen die Zufälligkeiten der Erbfolge und v.a. gegen Zugriffe des Fiskus zu isolieren. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Geschätzte 90 % aller existierenden Stiftungen dienen gemeinnützigen Zwecken.
Rz. 664
Stiftungen sind sowohl bei historischer Betrachtung wie auch heute v.a. Instrumente des nachhaltigen Engagements für das Gemeinwohl. Die Errichtung einer Stiftung ist zum einen Ausdruck der vielfältigen Vorstellungen und Wünsche des Stifters, wie er sein Vermögen oder Teile seines Vermögens "auf ewig", insb. über seinen Tod hinaus, verwenden und welche Bestimmungen er dafür treffen möchte. Zum anderen dient eine gemeinnützige Stiftung der Förderung des Gemeinwohls. Dies schließt nicht aus, dass mit ihnen zugleich private Zwecke verfolgt werden. Ein Unternehmer, der große Teile seines Unternehmens auf eine gemeinnützige Stiftung überträgt, mag damit primär das Ziel verfolgen, dem Unternehmen im Nachfolgefall einen Erbstreit und den Nachkommen die Erbschaftsteuer zu ersparen, damit sein Lebenswerk nicht zerstört wird. Mit der Entscheidung für die gemeinnützige Stiftung hat er gleichwohl die Verfügungsgewalt über substanzielle Vermögenswerte aufgegeben. Vermögen und Erträge stehen fortan nicht mehr für die private Nutzung zur Verfügung.
Hinweis
Eine gemeinnützige Stiftung darf bis zu ein Drittel ihres Einkommens dazu verwenden, um in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten, deren Gräber zu pflegen und deren Andenken zu ehren, ohne dadurch ihre Steuerbegünstigung zu gefährden (§ 58 Nr. 6 AO). Diese Regelung durchbricht den Grundsatz, dass gemeinnützige Stiftungen ihre Erträge ausschließlich für ihre satzungsmäßigen Zwecke verwenden dürfen. In der Praxis ist die tatsächliche Reichweite der Zuwendungsmöglichkeiten oft fraglich. Denn selbst wenn zwischen der Stifterfamilie und der Finanzverwaltung Einigkeit über die Angemessenheit des Lebensunterhalts erzielt wird, ist weiterhin zu klären, ob dieser Lebensunterhalt nicht bereits aus den sonstigen Mitteln der Begünstigten bestritten werden kann.
Rz. 665
Vor diesem Hintergrund stellen sich Stiftungen v.a. als rechtliche Gestaltungen für eine bestimmte Form altruistischen Handelns dar: die langfristige Widmung eines Vermögens für gemeinnützige Zwecke. Die Errichtung einer Stiftung kann eine elegante, nachhaltige und zutiefst befriedigende Investition in das Gemeinwohl darstellen. Gleichwohl ist die Stiftung nicht in jedem Fall die richtige Form für diese Investition. Vor Errichtung einer Stiftung sollte der Stifter sorgfältig Optionen und Alternativen prüfen, um die ihm zur Verfügung stehenden Mittel optimal zur Förderung seines Anliegens einzusetzen.
Hinweis
Der Stifter hat durch die Anordnung eines Nießbrauchsvermächtnisses an dem zum Nachlass gehörenden Unternehmen oder Geschäftsanteil die Möglichkeit, seine Angehörigen nach dem Erbfall finanziell zu versorgen. Allerdings wendet die Finanzverwaltung – entgegen der Ansicht des BFH und der Lit. – die Ein-Drittel-Regelung des § 58 Nr. 6 AO auch auf Fälle an, in welchen die Stiftung Verbindlichkeiten zu erfüllen hat, die durch die Übertragung von belasteten Vermögenswerten auf die Stiftung begründet wurden. Angesichts dieser unsicheren Rechtslage empfiehlt es sich, die Anordnung eines Nießbrauchvermächtnisses im Vorfeld im Wege der verbindlichen Auskunft mit dem zuständigen Finanzamt abzuklären. Alternativ kann die letztwillige Verfügung eine Öffnungsklausel dahingehend vorsehen, dass der Nießbrauch nur zu dem Prozentsatz eingeräumt werden soll, wie er von der Finanzverwaltung anerkannt wird.
Rz. 666
Ist die Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung (auch im Rahmen einer Doppelstiftung) mit Beteiligungen an Personen- oder Kapitalgesellschaften beabsichtigt, sollten Stifter und dessen Berater folgende gemeinnützigkeitsrechtlichen Aspekte berücksichtigen.
Hinweis
Das Gemeinnützigkeitsrecht ist in den §§ 51–68 AO geregelt. Die Antwort auf zahlreiche Detailfragen findet sich im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO). Der AEAO gibt teilweise den Standpunkt der Finanzverwaltung wieder, teilweise fasst er aber auch die Rspr. des BFH zusammen. Die Steuervergünstigungen selbst sind hingegen in den jeweiligen Einzelsteuergesetzen geregelt (z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG; § 3 Nr. 6 GewStG; § 13 Abs. 1 Nr. 16, Nr. 17 ErbStG).