Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
Rz. 25
Der Gesetzgeber hat sich bei der Regelung der stillen Gesellschaft zurückgehalten und nur ein Grundgerüst geschaffen, das umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Da die stille Gesellschaft als reine Innengesellschaft nicht am Rechtsverkehr teilnimmt und in ihrer Grundform auch über keine besondere Organisation verfügt, wird die Gestaltungsfreiheit weder durch Vorschriften zum Gläubigerschutz noch durch Organisationsnormen beschränkt. Dementsprechend sind die Vorschriften der §§ 230 ff. HGB größtenteils dispositiv.
Rz. 26
Diese Besonderheit ist maßgeblich für die Unterscheidung zweier Grundtypen der stillen Gesellschaft: die "typische" und die "atypische" stille Gesellschaft. Als typische stille Gesellschaft bezeichnet man solche Gesellschaften, die dem gesetzlichen Leitbild in den §§ 230 ff. HGB entsprechen. Ist von einer atypischen stillen Gesellschaft die Rede, ist eine Gesellschaft gemeint, die nicht nur unwesentlich von diesem gesetzlichen Leitbild abweicht.
Rz. 27
Auch steuerrechtlich wird die Unterscheidung zwischen typischer und atypischer stiller Gesellschaft fortgeführt. Die Abgrenzung erfolgt allerdings nicht nach den §§ 230 ff. HGB, sondern nach der Mitunternehmerstellung des stillen Gesellschafters. Hat dieser keine Mitunternehmerinitiative und trägt er auch kein Mitunternehmerrisiko, ist er nicht als steuerlicher Mitunternehmer zu qualifizieren. Es liegt dann steuerrechtlich eine typische stille Gesellschaft vor, bei der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) erzielt werden. Ist der stille Gesellschafter hingegen Mitunternehmer, liegt steuerlich eine atypische stille Gesellschaft vor, bei der er gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erzielt.
a) Typische stille Gesellschaft
Rz. 28
Handelsrechtlich wird eine Gesellschaft als typische stille Gesellschaft qualifiziert, wenn sie in ihrer wesentlichen Ausgestaltung dem gesetzlichen Leitbild der §§ 230 ff. HGB entspricht. Der stille Gesellschafter leistet eine Vermögenseinlage in das Unternehmen des Geschäftsinhabers, wird aber aus den im Unternehmen geschlossenen Geschäften nicht unmittelbar mitberechtigt und -verpflichtet. Durch seine Einlage ist er auch nicht am Vermögen des Handelsgeschäfts beteiligt, sondern allein am erwirtschafteten Gewinn und – je nach vertraglicher Ausgestaltung – auch Verlust. Der Inhaber des Handelsgeschäfts verpflichtet sich dafür, das Handelsgeschäft unter alleiniger Verantwortung für gemeinschaftliche Rechnung zu führen. Die typische stille Gesellschaft zeichnet sich somit v.a. durch eine fehlende Beteiligung des stillen Gesellschafters am Vermögen des Handelsgeschäfts und an der Geschäftsführung aus. Dafür stehen dem stillen Gesellschafter umfassende Informations- und Kontrollrechte zu.
Rz. 29
In der Praxis spielen typische stille Gesellschaften eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Dies liegt aber weniger an Mängeln der gesetzlichen Regelung als vielmehr an den zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten, die eine Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse der Parteien im Einzelfall zulassen.
b) Atypische stille Gesellschaft
Rz. 30
Eine atypische stille Gesellschaft liegt stets dann vor, wenn die im Einzelfall vereinbarten Regelungen wesentlich von dem im HGB niedergelegten gesetzlichen Leitbild abweichen. Dementsprechend kann handelsrechtlich nicht von "der" atypischen stillen Gesellschaft gesprochen werden, vielmehr ist die Anzahl der Abwandlungen atypischer Formen praktisch unbegrenzt. Gleichwohl hat sich in der Rechtswissenschaft eine gewisse Typisierung durchgesetzt.
aa) Stille Gesellschaft mit Vermögensbeteiligung des stillen Gesellschafters
Rz. 31
Verbreitet ist bspw. eine Vermögensbeteiligung des stillen Gesellschafters. Da dieser seine Einlage nach §§ 230 Abs. 1 HGB in das Vermögen des Geschäftsinhabers zu leisten hat, ist eine dingliche Beteiligung des stillen Gesellschafters am Handelsgeschäft des Inhabers ausgeschlossen. Zulässig ist aber eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Parteien, die den stillen Gesellschafter so stellt, als ob er tatsächlich dinglich am Vermögen des Handelsgeschäfts beteiligt wäre. Dem stillen Gesellschafter steht in diesem Fall nicht nur eine Beteiligung am Gewinn zu, sondern auch eine Beteiligung am Auseinandersetzungsguthaben bzw. Liquidationserlös des Handelsgeschäfts. Mit der Ausweitung der Vermögensrechte des stillen Gesellschafters geht regelmäßig eine Erweiterung seiner Kontrollrechte und eine Verschärfung der Treuepflicht des Geschäftsinhabers einher.
Rz. 32
Den Gläubigern des Geschäftsinhabers ggü. kann sich der stille Gesellschafter allerdings nicht auf seine (schuldrechtliche) Beteiligung am Handelsgeschäft berufen, da er keinen Anspruch auf Herausgabe des Geschäftsvermögens hat, sondern lediglich einen Zahlungsanspruch, dessen Höhe anhand einer Liquidationsbilanz ermittelt wird. Anders als bei der typischen stillen Gesellschaft ist dieser Anspruch aber nicht auf Rückzahlung der (ggf. durch Ver...