Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
Rz. 94
Abweichend von der grds. Verteilung können dem stillen Gesellschafter über seine bloßen Informationsrechte hinaus – auf rein schuldrechtlicher Basis – weitere Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung der stillen Gesellschaft eingeräumt werden. Sind diese nicht ganz unbedeutend, spricht man von einer atypischen stillen Gesellschaft mit Geschäftsführungsbeteiligung.
Rz. 95
Einfachste Form der Mitwirkung sind Zustimmungs- oder Widerspruchsrechte des stillen Gesellschafters, die sich entweder auf ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen beschränken oder generell eingreifen. In der Praxis hat sich hierfür ein Katalog zustimmungsbedürftiger bzw. widerspruchsfähiger Maßnahmen im Gesellschaftsvertrag bewährt. Derartige Mitwirkungsrechte wirken allerdings nur schuldrechtlich und können die Verfügungsmacht des Geschäftsinhabers nicht einschränken.
Rz. 96
Dem stillen Gesellschafter kann ferner auch zusammen mit dem Geschäftsinhaber oder sogar allein die Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt werden. Da die stille Gesellschaft eine reine Innengesellschaft ist, muss genau unterschieden werden, ob sich die Geschäftsführungsbefugnis des stillen Gesellschafters lediglich auf die stille Gesellschaft selbst oder auf das Handelsgeschäft des Geschäftsinhabers beziehen soll. Der individuellen Ausgestaltung werden hier nur Grenzen durch den sog. Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften gezogen, der es verbietet, einem Nichtgesellschafter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse eines oder aller Gesellschafter zu übertragen.
Rz. 97
Bei einer Beteiligung an der Geschäftsführung unterliegt der stille Gesellschafter allerdings auch besonderen Treuepflichten, da er nicht mehr nur eigennützig seine Kontrollrechte wahrnehmen kann, sondern seine Geschäftsführung im Interesse der Gesellschaft ausüben muss. Art und Umfang der Treuepflichten hängen von der Ausgestaltung der Geschäftsführungsbeteiligung im Einzelfall ab. Je weiter die Einflussnahmemöglichkeiten des stillen Gesellschafters reichen, desto weiter reicht auch seine Treuepflicht und desto stärker ist er zur Förderung des gemeinsamen Zwecks und zur Berücksichtigung der Belange der Gesellschaft verpflichtet.
Rz. 98
Zudem muss sich der zur Geschäftsführung berechtigte stille Gesellschafter auch ggü. dem Geschäftsinhaber wie ein Geschäftsführer behandeln lassen und haftet deshalb nach den allgemeinen Vorschriften für jedes Verschulden.
Rz. 99
Dagegen führt die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Geschäftsführungsbefugnis nicht zu einer persönlichen Haftung des stillen Gesellschafters ggü. den Gläubigern des Handelsgeschäfts, da nach § 230 Abs. 2 HGB ja allein der Geschäftsinhaber aus den Geschäften berechtigt und verpflichtet wird. Etwas anderes gilt, soweit der stille Gesellschafter besondere Verpflichtungen übernimmt.
Beispiele
Verpflichtungen aus Bürgschaft oder Garantieerklärung.
Rz. 100
Unberührt bleibt daneben die Haftung des stillen Gesellschafters nach den allgemeinen Vorschriften.
Beispiel
Haftung aufgrund unerlaubter Handlung.
Rz. 101
Mangels abweichender vertraglicher Regelungen kann dem stillen Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis entsprechend § 715 Abs. 5 BGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aber auch entzogen werden. In diesem Fall übernimmt der Geschäftsinhaber die Führung des Handelsgeschäfts wieder selbst.