Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
I. Allgemeines
Rz. 371
Die Treuhand genießt sowohl i.R.d. allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungspraxis als auch insb. bei der Nachfolgeplanung und bei Familiengesellschaften eine stete Beliebtheit, da sie ebenso wie die stille Gesellschaft und die Unterbeteiligung interessante Gestaltungsmöglichkeiten jenseits der klassischen Gesellschaftsformen eröffnet.
II. Überlegungen zur Rechtsformwahl
Rz. 372
Der zivilrechtliche Anwendungsbereich der Treuhand an Gesellschaftsanteilen ist weit gefächert. In der Praxis haben sich verschiedene Kategorisierungen der Treuhand mit jeweils unterschiedlichen Anwendungsbereichen herausgebildet.
Rz. 373
Bei der Verwaltungstreuhand (ausführlicher u. Rdn 384) übt der Treuhänder die Rechte aus dem Gesellschaftsanteil im Interesse des Treugebers aus. Interessant ist dies bspw., wenn der Treugeber dadurch Verbote, vertragliche Bindungen oder eine Zustimmungsverweigerung der Mitgesellschafter zur Anteilsübertragung umgehen kann. Häufig soll durch die Einschaltung eines Treuhänders die Gesellschafterstellung des Treugebers ggü. Gläubigern oder Wettbewerbern verborgen werden, da nur der Treuhänder nach außen und insb. im Handelsregister in Erscheinung tritt. Von Bedeutung ist die Verwaltungstreuhand zudem im Zusammenhang mit Publikumsgesellschaften, bei denen anstelle vieler einzelner Gesellschafter ein einzelner Treuhandgesellschafter beteiligt wird, um den Verwaltungsaufwand zu vereinfachen und die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten.
Rz. 374
Die Sicherungstreuhand (ausführlich u. Rdn 385) stellt ein klassisches Mittel der Kreditsicherung dar, sei es bei Finanzierung einer erworbenen Gesellschaft, sei es bei Finanzierung anderer Objekte.
Die Nutzungstreuhand (ausführlich u. Rdn 386) steht dem Nießbrauch sehr nahe und findet deshalb bspw. i.R.d. vorweggenommenen Erbfolge und der Unternehmensnachfolge Verwendung.
Rz. 375
Geht es um die Abwicklung von Unternehmenskaufverträgen oder die Sanierung von Gesellschaften, wird häufig ein sog. Escrow Agent eingesetzt, der im Rahmen einer Doppeltreuhand (ausführlich u. Rdn 387 f.) den Gesellschaftsanteil bis zur vollständigen Erfüllung aller weiteren wechselseitigen Verpflichtungen verwaltet und anschließend an den Berechtigten überträgt.
III. Wesen und Erscheinungsformen
1. Definition und Wesen der Treuhand
Rz. 376
Die Treuhand an Gesellschaftsanteilen ist eine besondere Form der mittelbaren Unternehmensbeteiligung, die ihre Grundlage im allgemeinen Recht der Treuhand hat. Aufgrund der über das allgemeine Treuhandrecht hinausgehenden spezifischen (gesellschaftsrechtlichen) Besonderheiten sowie der zahlreichen Varianten der Treuhand ist eine allgemeine Definition nicht möglich. Übereinstimmendes Merkmal aller Treuhanddefinitionen ist jedoch, dass einem "Treuhänder" von einem "Treugeber" die Rechtsmacht eingeräumt wird, über eine vermögenswerte Position, das "Treugut", im Außenverhältnis zu verfügen, wobei diese Verfügungsmacht des Treuhänders im Innenverhältnis ggü. dem Treugeber durch den Treuhandvertrag begrenzt ist.
Rz. 377
Abhängig von der rechtlichen Ausgestaltung kann zwischen der fiduziarischen Vollrechtstreuhand, der Ermächtigungstreuhand und der Vollmachtstreuhand unterschieden werden. Bei den beiden letzten Varianten erwirbt der Treuhänder keine Vollrechtsstellung (d.h. er wird nicht Gesellschafter). Der Treuhänder wird vom Treugeber nur mit treuhänderischer Verfügungsbefugnis in Bezug auf das Treugut ausgestattet, die bei der Ermächtigungstreuhand im eigenen Namen, bei der Vollmachtstreuhand (unechte Treuhand) im fremden Namen ausgeübt wird. Bei der fiduziarischen Treuhand (echte Treuhand) erlangt der Treuhänder dagegen eine echte Gesellschafterstellung.
Rz. 378
Diese echte Treuhand an Gesellschaftsanteilen wird folgendermaßen definiert: Eine fiduziarische Vollrechtstreuhand an einer Beteiligung liegt vor, wenn ein Gesellschafter (Treuhänder) Inhaber der Beteiligung für Rechnung eines anderen (Treugeber) ist, sodass er die Rechte aus der Beteiligung nur nach Maßgabe eines mit dem Treugeber geschlossenen Treuhandvertrages ausüben darf.
Rz. 379
Bei der fiduziarischen Vollrechtstreuhand besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der umfassenden Verfügungsmacht des Treuhänders im Außenverhältnis und den schuldrechtlichen Beschränkungen dieser Verfügungsmacht im Innenverhältnis. Das Treugut wird zwar dinglich dem Treuhänder zugeordnet, wirtschaftlich aber dem Treugeber, der dadurch mittelbar an der Gesellschaft teilhat.
Rz. 380
Rechtstechnisch ist zwischen der Treuhand an einer...