Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
Rz. 489
Vielfach sehen sich Unternehmer mit der Frage konfrontiert, wie der Einfluss der Familie in einem (Familien-)Unternehmen gewährleistet und wie ein geschlossenes Abstimmungsverhalten sichergestellt werden kann. Verschiedene Sichtweisen einzelner Familienmitglieder (oftmals im Hinblick auf die Unternehmensführung) prägen den Familienverbund nachhaltig (negativ) oder bringen ihn gar zum endgültigen Auseinanderfallen.
Rz. 490
Nicht zu verkennen ist, dass Familienunternehmen mit eigenen, für die familiäre Eigentümerstruktur typischen Problemen zu kämpfen haben. Problematisch ist dabei insb., wenn Anteile gleichmäßig an alle Nachkommen vererbt werden und die Vielfalt der Interessen steigt, der familiäre Zusammenhalt hingegen mit jeder Vererbung schwindet. Je zahlreicher die Familienmitglieder, die ihren Einfluss gesichert wissen möchten, desto vielfältiger sind die Interessen und Vorstellungen. Dies gilt v.a., wenn Konflikte in und zwischen den Generationen auftreten oder wenn verschiedene Familienstämme am Unternehmen beteiligt sind. Daher sollten im Voraus klare und verbindliche Regelungen für alle Familiengesellschafter getroffen werden.
Rz. 491
Das Gesellschaftsrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten, den Interessen- und Zweckverband der Familie zu fördern und Vermögen vor der Zerschlagung zu schützen. Um der Familienbindung Nachhaltigkeit zu verleihen, sind konkrete Vereinbarungen notwendig, die im Sinne einer "Family Governance" das Verhältnis aller Beteiligten zueinander regeln und den Weg zu einer (möglichen) Gerichtsbarkeit von vornherein einengen. Im Grundsatz bestehen drei Gestaltungsansätze:
▪ |
Es können im Statut der Gesellschaft oder einer Anlage hierzu Bestimmungen aufgenommen werden, welche die Gesellschafter bestimmten Beschränkungen in Bezug auf den Familienverbund unterwerfen. Unproblematisch ist dies aber nur bei der GmbH, in Bezug auf eine AG sind die durch § 23 Abs. 5 AktG gesetzten Schranken zu beachten. |
▪ |
Es können neben dem Gesellschaftsstatut weitere individualvertragliche Vereinbarungen (sog. Stimmbindungs-/Poolvereinbarungen) unter den Gesellschaftern des Familienunternehmens getroffen werden (sog. Pool ohne Gesellschaftsvermögen). |
▪ |
Schließlich können die Beteiligungen der Familienmitglieder am Familienunternehmen über eine weitere, zwischengeschaltete Familiengesellschaft gehalten werden, in deren Gesellschaftsstatut wiederum bestimmte Bindungen aufgenommen werden. Entsprechende Familien-Holding-Gesellschaften (Personen- oder Kapitalgesellschaft) können z.B. für einzelne Familienstämme gegründet werden. |
Rz. 492
Unter Stimmbindungs- oder Poolvereinbarungen werden Verträge verstanden, in denen sich die Vertragspartner verpflichten, ihr Stimmrecht auf eine bestimmte Art und Weise bei Beschlüssen der Gesellschaft auszuüben bzw. hiervon Abstand zu nehmen. Die Einflusssicherung in Gesellschaften gehört ebenso wie die Einflussnahme auf die Ausübung des Stimmrechts zu ihren wesentlichen Zwecken. Einer möglichen Zersplitterung durch Erbfolge kann auf diese Weise begegnet werden, um so "die Macht eines Familienstammes zu bündeln", auch wenn von dritter Seite eine erhebliche Kapitalzufuhr erfolgt. Neben den besagten Zwecken kann die Intention der Familienmitglieder in den Vordergrund treten, den Familienkreis Dritten schwer zugänglich zu machen bzw. (insb. bei der Aufnahme eines Financiers) nachhaltig prägenden Einfluss auf die Gesellschaft vonseiten Dritter zu verhindern.
Derartige (Stimmbindungs-)Abreden werden allgemein als zulässig erachtet. Es handelt sich um schuldrechtliche Abreden, die nur zwischen den Vertragsparteien (inter partes) Wirkung erzeugen. Dementsprechend ist die aufgrund einer unzulässigen Stimmrechtsvereinbarung abgegebene Stimme gültig. Weitere Regelungsgegenstände eines Poolvertrages können Verfügungsbeschränkungen bzgl. der poolgebundenen Anteile, Vorerwerbsrechte sowie Mitverkaufsrechte und -pflichten sein.
Hinweis
Die Aufnahme einer Stimmbindung sowie weiterer Bindungen im familiären Interesse kann im Grundsatz unmittelbar im Gesellschaftsvertrag erfolgen, was jedoch angesichts der registerrechtlichen Publizität bei Kapitalgesellschaften regelmäßig nicht im Interesse der Beteiligten liegen wird.
Rz. 493
Stimmbindungs- und Poolvereinbarungen sind in der Praxis v.a. im Hinblick auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (AG/GmbH) gebräuchlich. Poolverträge in Bezug auf Personengesellschaften sind ebenfalls möglich, aber praktisch weniger relevant.