Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
Rz. 2
Ist der vom Erblasser beschenkte überlebende Lebensgefährte auch Erbe, so ist er Adressat des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 Abs. 1 BGB, der dem übergangenen Pflichtteilsberechtigten in Höhe des Betrags zusteht, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Ist der überlebende Lebensgefährte dagegen nicht Erbe, so ist er nach § 2329 Abs. 1 BGB nur insoweit zur Herausgabe vom Erblasser empfangener Geschenke zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach Bereicherungsrecht verpflichtet, als der Erbe selbst die ihm nach § 2325 BGB obliegende Pflichtteilsergänzung zur Sicherung seines eigenen ergänzten Pflichtteils (§ 2328 BGB) oder aufgrund beschränkter Haftung (§§ 1975, 1990, 2060 BGB) verweigern kann oder wenn der Pflichtteilsberechtigte alleiniger Erbe ist.
I. Schenkung
Rz. 3
Pflichtteilsergänzungsansprüche kommen nur in Betracht, wenn eine "Schenkung" stattgefunden hat. Beachtliche Stimmen in der Literatur nehmen an, dass mit der Annahme von Schenkungen in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft äußerste Zurückhaltung zu üben sei. Zuwendungen seien regelmäßig als "unbenannte Zuwendungen" zu qualifizieren. Die hinter dem Ausgleichsverbot, das die Rechtsprechung für die schuldrechtliche Auseinandersetzung beendeter nichtehelicher Lebensgemeinschaften entwickelt hat, stehende subjektive Äquivalenz der Beiträge der Partner in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei auf das Pflichtteils(ergänzungs)recht übertragbar. Zuwendungen des Erblassers an seinen ihn überlebenden Lebensgefährten seien somit in pflichtteils(ergänzungs)rechtlicher Hinsicht als objektiv entgeltlich anzusehen.
Rz. 4
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Das vom BGH stets hervorgehobene Grundaxiom des ausgeschlossenen Ausgleichs der beendeten nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wonach die Partner die gegenseitigen finanziellen oder Arbeitsleistungen im Rahmen der Haushaltsführung als gleichwertig ansehen, kann m.E. nicht auf das Pflichtteilsergänzungsrecht übertragen werden. Die obergerichtliche Rechtsprechung teilt überwiegend die hier vertretene Auffassung. Wenn man – wie 2008 der BGH – die unbenannte Zuwendung unter Lebensgefährten anerkennt, ist kein Grund dafür ersichtlich, sie in erbrechtlicher Hinsicht anders zu behandeln als eine ehebedingte Zuwendung, d.h. eine unbenannte Zuwendung unter Ehegatten. Nach der Rechtsprechung des BGH sind unbenannte (ehebedingte) Zuwendungen unter Ehegatten für Zwecke des Pflichtteilsrechts als Schenkung zu behandeln. Mangels Gegenleistung im Sinne von "Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrages als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks" sei eine ehebedingte Zuwendung regelmäßig objektiv unentgeltlich. Mit einer ehebedingten Zuwendung werden keine Leistungen in Erfüllung einer Rechtspflicht entgolten, sondern vielmehr "anerkannt" (belohnende/remuneratorische Schenkung). Wie der BGH m.E. zu Recht hervorgehoben hat, "würde es den Regelungsplan des Gesetzgebers verfehlen, unbenannte Zuwendungen nur deshalb aus dem Anwendungsbereich der genannten Vorschriften (sc.: §§ 2287, 2288, Abs. 2 S. 2, 2325 BGB) auszunehmen, weil sie aus Gründen, die lediglich im Bereich der Ehegatten liegen, in deren (Innen-)Verhältnis zueinander nicht mehr als Schenkung behandelt werden." Dies wäre mit dem Schutzzweck des Pflichtteilsrechts nicht vereinbar.
Rz. 5
Der BGH hat ausgeführt, dass eine ehebedingte Zuwendung auch für erbrechtliche Zwecke objektiv entgeltlich ist, wenn sie in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht erfolgt. In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind allerdings im deutschen Recht nur Unterhaltspflichten wegen der Geburt eines gemeinsamen Kindes nach § 1615l BGB denkbar. Diese dürften einer Abgeltung durch lebzeitige Zuwendung allerdings nur im Hinblick auf Unterhalt für die Vergangenheit zugänglich sein, der nur unter den engen Voraussetzungen des § 1615l Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 1613 BGB geschuldet ist. Wegen des Verbots, auf Nichtehelichenunterhalt für die Zukunft zu verzichten (§ 1615l Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 1614 BGB), kommt dagegen eine Abgeltung zukünftigen Unterhalts als objektiv entgeltlicher Tatbestand nicht in Betracht. Ein solcher Verzicht hätte zudem keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert, weil im Verzichtszeitpunkt Bestehen und Höhe des Unterhaltsanspruchs ungewiss sind.
Rz. 6
Objektiv entgeltlich sind zwar nach einer Literaturauffassung auch Zuwendungen, mit denen der Veräußerer eine Vorleistung entgilt, wenn die Partner anlässlich dieser Vorleistung vereinbart haben, dass die gegenläufige Zuwendung Rechtsgrund für das Behaltendürfen sein soll (kausale Leistungsverknüpfung i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB). Nach den BGH-Urteilen vom 9.7.2008 besteht in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Raum für derartige kausale Leistungsverknüpfung...