Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
Rz. 16
Hat der Erblasser seine Lebensgefährtin beschenkt und dabei die Absicht verfolgt, einen erbvertraglich oder durch gemeinschaftliches Testament bindend eingesetzten Erben oder Vermächtnisnehmer zu beeinträchtigen, so sind die zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte zwar schuldrechtlich und dinglich wirksam (§ 2286 BGB). Ein beeinträchtigter Vertragserbe kann jedoch im Erbfall vom Zuwendungsempfänger Herausgabe des Geschenks nach Bereicherungsrecht verlangen (§ 2287 BGB). Ist ein bindend eingesetzter Vermächtnisnehmer beeinträchtigt, kann dieser nach § 2288 Abs. 1, 2 S. 1 BGB von den Erben Wertersatz und nach § 2288 Abs. 2 S. 1 BGB vom Beschenkten Herausgabe fordern, wenn vom Erben Ersatz nicht zu erlangen ist. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich im Zusammenhang mit Übertragungen innerhalb nichtehelicher Lebensgemeinschaften stets zu prüfen, ob der Veräußerer erbvertraglich oder durch wechselbezügliche Verfügung in einem mit einem vorverstorbenen Ehegatten errichteten gemeinschaftlichen Testament gebunden ist. Auch wenn eine derartige Bindung besteht, ist der Notar m.E. nicht dazu berechtigt, die Beurkundung nach § 4 BeurkG (vgl. auch § 14 Abs. 2 BNotO) abzulehnen, da die Missachtung der Bindung das Rechtsgeschäft weder gesetz- noch sittenwidrig macht, sondern dieses schuldrechtlich und dinglich wirksam ist. Es empfiehlt sich allerdings eine (unauffällige) Belehrung, etwa wie folgt:
Rz. 17
Muster 11.1: Belehrung über Pflichtteilsergänzung und Bindungswirkung
Muster 11.1: Belehrung über Pflichtteilsergänzung und Bindungswirkung
Der Notar hat die Beteiligten eingehend insbesondere über das gesetzliche Pflichtteils(ergänzungs)recht und über die Auswirkungen bindend gewordener wechselbezüglicher Verfügungen auf den bindend Bedachten beeinträchtigende Zuwendungen sowie über die dem Bedachten zustehenden Rechte belehrt.
I. Schenkung
Rz. 18
Der Begriff der "Schenkung" in §§ 2287, 2288 BGB stimmt im Ausgangspunkt mit demjenigen in §§ 2325, 2329 BGB überein, so dass im Grundsatz auch sogenannte "gemeinschaftsbezogene Zuwendungen" als Schenkungen anzusehen sind. Der BGH hat bestätigt, dass es an einer Schenkung fehlen kann, wenn der Erwerber vertraglich Gegenleistungen wie z.B. die Verpflichtung zur Pflege und Betreuung des Veräußerers übernimmt. Dies gelte selbst dann, wenn der Veräußerer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei bester Gesundheit ist. Maßgebend ist die Prognoseentscheidung der Parteien anhand einer subjektiven Bewertung des möglichen künftigen Pflegeaufwands aus der Sicht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Dabei sind die potentiellen Pflegeleistungen anhand des Produktes aus dem Vervielfältigungsfaktor gemäß Anlage 9 zu § 14 BewG (multipliziert) mit der jährlichen Pflegeleistung zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn der Veräußerer später stirbt, ohne jemals der Pflege anheimgefallen zu sein. Vom Erwerber übernommene bereits eingetragene oder anlässlich der Übertragung vom Veräußerer vorbehaltene dingliche Belastungen wie z.B. ein vorbehaltener Nießbrauch, mindern nach der BGH-Rechtsprechung von vornherein den Wert eines schenkungsweise zugewendeten Grundstücks und sind daher bei der Berechnung des Werts in Abzug zu bringen. Ein vorbehaltener Nießbrauch ist mit dem kapitalisierten Wert der hieraus zu ziehenden Nutzungen anzusetzen. Zur Kapitalisierung will der BGH den jährlichen Nettoertrag des Nießbrauchs mit der Lebenserwartung des Nießbrauchers auf der Grundlage des Vervielfältigungsfaktors gemäß Anlage 9 zu § 14 BewG multiplizieren. Behält sich der Veräußerer den Rücktritt vom Vertrag vor, kann auch dieser Umstand als wirtschaftlicher Nachteil wertmindernd in Rechnung zu stellen sein.