Dr. iur. Pierre Plottek, Dr. Christopher Riedel
I. Pflichtteilsverzicht
Rz. 31
Der Pflichtteilsverzicht bildet ein praktisch äußerst bedeutsames Gestaltungsmittel zur Erweiterung der Testierfreiheit des Erblassers. Gleichzeitig kann er aber auch dazu dienen, die Pflichtteilsfestigkeit lebzeitiger Verfügungen zu gewährleisten. Im Regelfall, also ohne Vereinbarung irgendwelcher Beschränkungen, bewirkt der Pflichtteilsverzicht, dass dem Verzichtenden im Erbfall keine Pflichtteilsansprüche mehr zustehen. Das gesetzliche Erbrecht lässt er jedoch unberührt. Demzufolge entfaltet der Pflichtteilsverzicht nur dann seine Wirkung, wenn der Erblasser auch eine das Pflichtteilsrecht des Verzichtenden beeinträchtigende Verfügung – unter Lebenden (Schenkung) oder von Todes wegen – trifft. Dies ist bei der gestaltenden Unternehmensnachfolge regelmäßig der Fall.
Rz. 32
Zur Absicherung der Unternehmensnachfolge genügt im Regelfall aber ein sogenannter gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht, durch den lediglich das zu übergebende Unternehmen bzw. der Anteil daran (also der Übertragungsgegenstand) von der Berechnung etwaiger Pflichtteilsansprüche ausgenommen wird. Zu beachten ist hierbei aber, dass der Übertragungsgegenstand genau genug bezeichnet wird, damit im Falle späterer Auseinandersetzungen keine Zweifel aufkommen können, ob das Unternehmen vom Pflichtteilsverzicht vollständig erfasst ist.
Formulierungsbeispiel: Gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht
Der Verzichtende verzichtet hiermit für sich und seine Abkömmlinge gegenüber dem diesen Verzicht annehmenden Erblasser insoweit auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht einschließlich der Anwendung von § 2316 BGB sowie etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche, als bei der Berechnung sämtlicher ihm etwa zustehender Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche folgende Gegenstände als nicht zum Nachlass des Erblassers gehörend anzusehen sein und bei der Bestimmung des der Pflichtteilsberechnung zugrunde zu legenden Werts außer Ansatz zu lassen sein sollen.
Dieser Verzicht bezieht sich auf das unter der Firma (…) betriebene Einzelunternehmen des Erblassers, eingetragen im Handelsregister (…) einschließlich aller dazu gehörenden Aktiva und Passiva sowie einschließlich aller nicht aktivierten, jedoch dem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter, insbesondere des Sonderbetriebsvermögens im ertragsteuerlichen Sinne sowie eines etwaigen Firmenwerts. Über die Zugehörigkeit zum Unternehmen im vorstehend beschriebenen Sinne entscheidet als Schiedsrichter (…).
Rz. 33
In der Regel wird ein – auch gegenständlich beschränkter – Pflichtteilsverzicht nur vereinbart werden können, wenn der Verzichtende hierfür eine (angemessene) Abfindung erhält. Vor diesem Hintergrund bedarf es zur praktischen Umsetzung dieses "Königswegs der Pflichtteilsvermeidung" nicht nur einer großen Überzeugungskraft, sondern auch entsprechender wirtschaftlicher bzw. finanzieller Ressourcen.
Rz. 34
Dass ein Erbverzicht zur Absicherung der Unternehmensnachfolge wenig bzw. gar nicht geeignet ist, da sich durch ihn die Pflichtteilsquoten der verbleibenden Pflichtteilsberechtigten erhöhen, bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Ausführungen (vgl. aber im Einzelnen § 14).
II. Anrechnungsbestimmungen, § 2315 BGB
Rz. 35
Eine bei weitem weniger umfassende und wirksame Möglichkeit zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen besteht darin, bei lebzeitigen Zuwendungen an den bzw. die Pflichtteilsberechtigten die Anrechnung der jeweiligen Zuwendung auf spätere Pflichtteilsansprüche anzuordnen (§ 2315 BGB). Die Anrechnung auf den Pflichtteil hat durch die Erbrechtsreform 2010 gerade im Zusammenhang mit lebzeitigen Nachfolgeregelungen deutlich an Bedeutung gewonnen. Denn gem. § 2325 Abs. 3 BGB n.F. wird der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach lebzeitigen Zuwendungen im Zeitverlauf abgeschmolzen, sodass für jedes seit der (endgültigen) Ausführung der Zuwendung vergangene Jahr eine Reduzierung um 10 % eintritt. Dies führt dazu, dass lediglich der nach Abschmelzung verbleibende Wert der Zuwendung in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches einzubeziehen ist, während das mit Anrechnungsverpflichtung im Sinne von § 2315 BGB versehene Eigengeschenk mit seinem vollen (noch dazu inflationsbereinigten) Wert anzurechnen ist.
Dennoch führt die Anrechnung von Eigengeschenken nur dann zu einer ausreichenden Entlastung zugunsten des Unternehmensnachfolgers, wenn das Volumen der anrechnungspflichtigen Zuwendungen entsprechend hoch ist.
III. (Frühzeitige) lebzeitige Übertragung
Rz. 36
Durch die Änderung von § 2325 Abs. 3 BGB im Zuge der Erbrechtsreform 2010 ist auch die lebzeitige Übertragung von Unternehmen – jedenfalls aus pflichtteilsrechtlicher Sicht – deutlich attraktiver geworden. Die ratierliche Abschmelzung des in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs einzubeziehenden Werts der lebzeitigen Zuwendungen führt dazu, dass die mit Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüchen einhergehenden Belastungen für den Unternehmensnachfolger immer mehr abnehmen. Für jedes Jahr, das seit der Über...