Dr. iur. Pierre Plottek, Dr. Christopher Riedel
Rz. 36
Durch die Änderung von § 2325 Abs. 3 BGB im Zuge der Erbrechtsreform 2010 ist auch die lebzeitige Übertragung von Unternehmen – jedenfalls aus pflichtteilsrechtlicher Sicht – deutlich attraktiver geworden. Die ratierliche Abschmelzung des in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs einzubeziehenden Werts der lebzeitigen Zuwendungen führt dazu, dass die mit Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüchen einhergehenden Belastungen für den Unternehmensnachfolger immer mehr abnehmen. Für jedes Jahr, das seit der Übertragung verstrichen ist, reduziert sich der Umfang der Pflichtteilsergänzungsansprüche um 10 %. Entscheidend ist hierbei aber, dass sowohl die Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB (zehn Jahre) als auch die Abschmelzung erst beginnen, wenn der Erblasser/Schenker seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgegeben hat.
Rz. 37
Vor diesem Hintergrund sind insbesondere Übertragungen und Nießbrauchsvorbehalte mitunter problematisch. Übertragungen gegen Versorgungsleistungen (Leibrenten etc.) sollten jedoch möglich sein. Allerdings ist auch hierbei äußerste Vorsicht an den Tag zu legen, insbesondere dann, wenn die Versorgungsleistungen dinglich gesichert werden. Denn auch in diesen Fällen ist nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung der (angeblich) erforderliche "Genussverzicht" abgelehnt werden könnte.
Rz. 38
Problematisch könnten in diesem Zusammenhang auch vorbehaltene Widerrufs- oder sonstige Rückforderungsmöglichkeiten sein: Denn obwohl höchstrichterlich noch nicht entschieden, stellt sich angesichts der vom BGH für den Fristbeginn geforderten "wirtschaftlichen" Vermögensausgliederung bzw. des Genussverzichts die Frage, ob ein Widerrufsvorbehalt in einem Übergabevertrag (bedingter Rückübertragungsanspruch) der Ingangsetzung der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB entgegensteht. In der Lit. wird der Fristbeginn bei freien, also nicht tatbestandlich eingegrenzten Rückerwerbsrechten teilweise verneint, da der Schenker den jeweiligen Vermögensgegenstand nicht endgültig aus seinem Vermögen ausgegliedert habe. Richtigerweise sollte man davon ausgehen, dass Rückforderungsrechte – gleich wie umfangreich sie ausgestaltet sind – dem Beginn der Zehn-Jahres-Frist nicht entgegenstehen, solange sie nicht tatsächlich ausgeübt werden. Die Ungewissheit des Beschenkten, ob er das Geschenk tatsächlich behalten darf, steht der wirtschaftlichen Ausgliederung aus dem Vermögen des Schenkers (solange dieser von seinem Rückforderungsrecht keinen Gebrauch macht) grundsätzlich nicht entgegen.
Rz. 39
Rückforderungsklauseln, die auf abschließend aufgezählte Fälle, bspw. das Vorversterben des Übernehmers, beschränkt sind, stehen dem Fristbeginn aber nach überwiegender Meinung nicht entgegen, da der Eintritt der Bedingung dem Einflussbereich des Erblassers entzogen ist. Dem ist zuzustimmen.
Rz. 40
Möglich erscheint außerdem die Zuwendung von – ggf. nur zum Zwecke der Unternehmensnachfolge geschaffenen – Gesellschaftsanteilen, wobei sich der Erblasser/Schenker einen – geringfügigen – Anteil an der übertragungsgegenständlichen Gesellschaft vor- bzw. zurückbehält. Dieser Anteil kann mit überproportionalen Stimmrechten bzw. Entnahme/Gewinnbezugsrechten ausgestattet werden, sodass die Versorgung des Übergebers abgesichert ist. Im Hinblick darauf, dass derartige gesellschaftsrechtliche Gestaltungen auch unter fremden Dritten nicht unüblich sind, sollte davon auszugehen sein, dass einem Genussverzicht hinsichtlich der verschenkten Anteile nichts im Wege steht. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die verschenkten Anteile eine angemessen (proportionale) Beteiligung an den stillen Reserven, also an einem etwaigen Liquidationserlös, vermitteln. Eine durch die Rechtsprechung gesicherte Basis für derartige Gestaltungen besteht allerdings bislang nicht.