Dr. iur. Pierre Plottek, Dr. Christopher Riedel
Rz. 47
Gemäß § 2306 Abs. 1 BGB kann ein Pflichtteilsberechtigter die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteil geltend machen, wenn sein Erbteil durch eine Vor- und Nacherbschaft, eine Testamentsvollstreckung oder Teilungsanordnung beschränkt oder er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist. Gleiches gilt gemäß § 2306 Abs. 2 BGB für den Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte selbst (nur) als Nacherbe eingesetzt wird. § 2306 BGB enthält aber keine Regelungen, die den Erblasser in irgendeiner Weise daran hindern würden, seinen Nachlass entsprechend seinen Vorstellungen zu strukturieren und auf diese Weise die Handlungsmöglichkeiten des Pflichtteilsberechtigten einzuschränken.
Rz. 48
Vor diesem Hintergrund kann es sich in bestimmten Situationen, z.B. wenn mit einem Pflichtteilsberechtigten partout keine Einigung über einen Verzicht erzielt werden kann oder wenn er sich weigert, die Bedingungen einer Familiengesellschaft zu akzeptieren, daran gedacht werden, den Pflichtteilsberechtigten mit einer wenigstens seinem Pflichtteil entsprechenden Quote zum unbeschwerten Vollerben einzusetzen. Entscheidend ist dabei, den künftigen Nachlass so zu strukturieren, dass die Handlungsmöglichkeiten des Pflichtteilsberechtigten so eingeschränkt sind, dass er das Nachfolgekonzept des Erblassers nicht gefährden kann. Insoweit könnte man daran denken, das wesentliche Vermögen in eine oder mehrere Personengesellschaften einzubringen, den Anteil des Erblassers vererblich zu stellen und den Gesellschaftsvertrag so auszugestalten, dass der (anteilig) in die Gesellschafterstellung nachrückende Pflichtteilsberechtigte nur sehr eingeschränkte eigene Entscheidungsmöglichkeiten hat. Diesbezüglich sind sämtliche Mechanismen, die gesellschaftsrechtlich zulässig sind, in Betracht zu ziehen, insbesondere Sonderrechte für andere Gesellschafter (Gewinnbeteiligung, Stimmrechte etc.), Entnahme- und Abfindungsbeschränkungen, weitere Gesellschafterpflichten (z.B. hinsichtlich güterrechtlicher Vereinbarungen).
Rz. 49
Will sich der Pflichtteilsberechtigte diesen Restriktionen (die sich nicht aus dem Testament des Erblassers ergeben, sondern aus dem Gesellschaftsvertrag) nicht unterwerfen, kann er natürlich die Erbschaft ausschlagen. Eine Pflichtteilsgeltendmachung kommt allerdings nicht in Betracht. Denn der Ausschluss von der Erbfolge bzw. die Beeinträchtigung des Pflichtteilsberechtigten resultiert dann gerade nicht aus einer Anordnung des Erblassers, sondern allein aus seiner eigenen Ausschlagungsentscheidung. Voraussetzung ist aber, dass die Erbeinsetzung auf jeden Fall unbelastet sein muss. Es dürfen keine Anordnungen i.S.v. § 2306 BGB bestehen. D.h., dass keinerlei dingliche Zuweisungen von Nachlassgegenständen vorgenommen werden dürfen, da diese – selbst wenn sie nur einen anderen Erben belasten sollen – stets (wenigstens mittelbar) auch den Pflichtteilsberechtigten treffen und ihm zu einer Ausschlagungsmöglichkeit verhelfen würden. Des Weiteren ist bei der Bemessung der Erbquote besondere Vorsicht geboten. Denn ein vollständiger Ausschluss potentieller Pflichtteilsansprüche wird nur erreicht, wenn das Hinterlassene wertmäßig zur Deckung des Gesamtpflichtteils (einschließlich Pflichtteilsergänzungsansprüchen) ausreicht.
Rz. 50
Der beschriebene Gestaltungsansatz dürfte angesichts dieser Schwierigkeiten in der Praxis nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Im Übrigen darf auch nicht übersehen werden, dass selbst einem durch gesellschaftsvertragliche Regelungen stark eingeschränkten Gesellschafter noch eine Vielzahl von Möglichkeiten verbleibt, den Mitgesellschaftern "lästig" zu werden. Dennoch bietet sich nach dem dargestellten Konzept eine interessante Möglichkeit, den Nachlass vor akuten Liquiditätsbelastungen durch Pflichtteilsforderungen zu schützen.