Rz. 135

Der Rücktritt hat folgende Voraussetzungen[313]

einen erheblichen Mangel (§ 323 Abs. 5 BGB) zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (vgl. Rdn 7) und des Rücktritts,[314]
die Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Nacherfüllung und Fristablauf oder
Unmöglichkeit (§ 275 BGB), Verweigerung (§ 281, § 323 Abs. 3 Nr. 1 BGB), Fehlschlagen oder
Unzumutbarkeit (§§ 437 Nr. 2, 440 BGB) der Nacherfüllung;
besondere Umstände, die den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (§§ 437 Nr. 2, 281, Abs. 2 Alt. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder
ein zeitlich gebundenes Fixgeschäft (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB);
keine überwiegende Verantwortlichkeit des Käufers für den Rücktritts- bzw. Minderungsgrund und kein Annahmeverzug (§ 323 Abs. 6 BGB).
 

Rz. 136

 

Praxistipp

Die Rücktrittserklärung durch einen Rechtsanwalt oder eine andere bevollmächtigte Person ist unwirksam, wenn eine schriftliche Vollmacht nicht beigefügt wird und der Erklärungsempfänger die Erklärung aus diesem Grund unverzüglich zurückweist (§ 174). Daher ist der Erklärung (per Einschreiben und Rückschein oder per Gerichtsvollzieher) stets eine Vollmacht im Original beizufügen.

[313] Vgl. hierzu OLG Düsseldorf DAR 2003, 519 u. Schellhammer, MDR 2002, 301 ff.
[314] OLG Koblenz MDR 2010, 378; OLG Schleswig-Holstein MMR 2013, 239; AG Neukölln MDR 2015, 1178.

a) Erhebliche Pflichtverletzung

 

Rz. 137

Der Rücktritt setzt gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB voraus, dass die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung.[315] Die Unerheblichkeit muss der Verkäufer substantiiert darlegen und beweisen.[316] Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung,[317] die provisorische nachträgliche Mängelbeseitigung durch einen Sachverständigen ist unerheblich. Ein zum Zeitpunkt. des Rücktritts erheblicher Mangel, dessen Ursache und Beseitigungskosten unklar sind, wird also nicht dadurch zu einem geringfügigen Mangel, dass sich die Beseitigungskosten nachträglich als geringfügig herausstellen.[318] Ist der Mangel zum Zeitpunkt des Rücktritts allerdings nur deshalb unerheblich, weil eine vorausgegangene Nachbesserung teilweise – aber eben nicht ganz – gelungen ist, ist der Rücktritt zulässig, wenn der Mangel vor dem Nachbesserungsversuch erheblich war.[319]

 

Rz. 138

Zu berücksichtigen sind der für die Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand, das Maß der funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigung, die Dauer des Nutzungsausfalls für den Käufer,[320] nach richtiger Auffassung auch das Maß des Fehlverhaltens/Verschuldens des Verkäufers,[321] wie z.B. arglistiges Verhalten (vgl. § 13 Rdn 14 ff.), denn § 323 Abs. 5 S. 2 BGB stellt auf das Maß der Pflichtverletzung ab,[322] nicht nur auf Art und Schwere des Mangels.[323] Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es nur dann an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungewiss ist.[324] Bezugspunkt für die Erheblichkeit des Mangels kann auch die mangelhafte Qualität der Nacherfüllung sein.[325] Bei geringer Abweichung der Qualität der Nachbesserung vom eigentlich geschuldeten Erfolg entfällt aber nicht die ursprünglich gegebene erhebliche Pflichtverletzung.[326]

 

Rz. 139

Bei einem behebbaren Mangel ist von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung i.d.R. nicht mehr auszugehen, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand bei einem Neufahrzeug einen Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteigt.[327] Bei einem Gebrauchtfahrzeug kann die Erheblichkeitsgrenze etwas höher liegen.[328] Abgesehen von dieser Klarstellung durch den BGH hat die Rechtsprechung[329] weiterhin ein unübersichtliches Ausmaß:

Als nicht erheblich werden Mängel angesehen,

die mit ganz geringem Aufwand selbst beseitigt werden können,[330]
die in Kürze von selbst verschwinden,[331]
ein Defekt an der Navigationsanlage,[332]
drei statt zwei Vorbesitzer bei 7,5 Jahre altem Fahrzeug,[333]
bei einer um 8,37 % höheren Fahrleistung, als der Kilometerstand ausweist,[334]
ein serienmäßiger Türenversatz von 1,8 mm,[335]
eine Geschwindigkeitsunterschreitung um weniger als 5 %,[336]
wenn bei einem Unfallfahrzeug der merkantile Minderwert niedriger als 1 % vom Kaufpreis liegt,[337]
einzelne Tropfen an der inneren Windschutzscheibe eines Cabrios beim Durchfahren einer Waschstraße,[338]
ein Kraftstoffmehrverbrauch von weniger als 10 %,[339] von 3,03 %,[340]
ein Defekt an der Lenkradfernbedienung für Radio, CD und Navi.[341]
 

Rz. 140

Bejaht wurde die Erheblichkeit des Mangels bei

einem undichten Fahrzeug trotz geringer Reparaturkosten,[342]
einer um 20 % zu hohen Laufleistung,[343]
einem falschen Modelljahr,[344] einer Standzeit von 31 Monaten,[345]
einem mit Kosten von 400 bis 450 EUR beseitigten Unfallschaden bei Garantie für Unfallfreiheit,[346]
Nichterfüllung einer Beschaffenheitsvereinbarung[347] (mit Ausnahmen),[348]
einem Nachbesserungsaufwand von 5 % des Pkw-Kaufpreises,[349]
Schaltverzögerung bei Automatikgetriebe,[350]
nicht zuverlässig schließendem Cabrioverdeck,[351]

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