Rz. 87

Wo die Nacherfüllung zu erbringen ist, richtet sich nach § 269 BGB. Aus der Natur der zu erbringenden Reparaturleistung wird gefolgert, den Sitz der Werkstatt des Verkäufers als Erfüllungsort anzusehen.[181]

 

Rz. 88

Nach der Gegenauffassung[182] ist Erfüllungsort der momentane Belegenheitsort der Sache, wo sich diese also vertragsgemäß befindet, in der Regel beim Käufer. Dies wird gefolgert aus der Regierungsbegründung,[183] Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie[184] sowie dem Umstand, dass der Erfüllungsort für die Nacherfüllung nicht danach ausgerichtet werden darf, ob der Verkäufer über eine eigene Werkstatt verfügt oder nicht. Dieser Umstand ist keiner, der "aus der Natur des Schuldverhältnisses" i.S.d. § 269 BGB entnommen werden kann (vgl. auch unten Rdn 118). Gerade auch die Regelung des § 439 Abs. 2 BGB spricht für den Belegenheitsort der Sache, da dem Käufer keine weiteren Aufwendungen entstehen sollen.[185]

 

Rz. 89

Der BGH (VIII. Senat)[186] hält dennoch jedenfalls dann den Wohnsitz oder die gewerbliche Niederlassung des Verkäufers für den Erfüllungsort, wenn sich aus den vertraglichen Abreden oder sonstigen Umständen keine abweichenden Anhaltspunkte ergeben. Damit setzt er sich in Widerspruch zum 10. Senat des BGH,[187] der im Rahmen eines Werklieferungsvertrags über eine Jacht gegenteilig entschieden hat. Außerdem wird darin ein Wertungswiderspruch zum Verständnis der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch den EuGH[188] gesehen.[189] Wenn der Käufer die Frage des Erfüllungsorts falsch einschätzt, trägt er das Risiko, entweder die Sachmängelansprüche nicht durchsetzen zu können oder aber auf den Transportkosten sitzen zu bleiben.[190] Bereits die Überprüfung des Mangels ist am Erfüllungsort anzubieten.[191] Selbst wenn der Händler – aus Kulanz – die Abholung des Fahrzeugs zunächst zugesagt hat, soll sich am Erfüllungsort am Betriebssitz des Händlers nichts ändern.[192]

Der Belegenheitsort (wo sich das Fahrzeug befindet) ist jedoch dann Erfüllungsort, wenn der Transport zu "erheblichen Unannehmlichkeiten" für den Käufer führt (z.B. Motorausfall in großer Entfernung vom Händler).[193]

[181] OLG München DAR 2007, 648 m. Anm. Reinking, DAR 2007, 706; OLG Köln, Urt. v. 14.2.2006 – 20 U 188/95, n.v.; Reinking, NJW 2008, 3608; ders., zfs 2003, 57, 60; Ball, NZV 2004, 217, 220; Skamel, DAR 2004, 565, 568; ders., ZGS 2006, 227; differenzierend Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn 3a m.w.N; Dauner-Lieb/Langen/Eggert, Anhang IV zu §§ 433–480, Rn 249.
[182] BGH DAR 2008, 267 m. Anm. Bethäuser, DAR 2008, 344; OLG München NJW 2006, 449; AG Menden NJW 2004, 2171; Lorenz, NJW 2007, 1, 5; ders., NJW 2006, 1175, 1178; ders., ZGS 2004, 408; MüKo/Westermann, § 439 Rn 7; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 Rn 30; Huber, NJW 2002, 1006; Bachmeier, Rn 830 ff.; Bamberger/Roth/Faust, § 439 Rn 13a; vgl. auch Dötsch, DAR 2004, 34, 35; differenzierend Pils, JuS 2008, 767; Palandt/Grüneberg, § 269 Rn 15.
[183] BT-Drucks 14/6040, 231.
[184] Bamberger/Roth/Faust, § 439 Rn 13a.
[186] BGH NJW 2011, 2278 = DAR, 388; OLG Saarbrücken BauR 2011, 1218; OLG Sachsen-Anhalt BB 2012, 1934; Ball, DAR 2011, 491.
[187] BGH DAR 2008, 267 m. Anm. Bethäuser, DAR 2008, 344.
[189] Staudinger/Artz, NJW 2011, 3121; PWW/Schmidt, § 439 Rn 19; Jaensch, NJW 2012, 1025, 1030.
[190] Cziupka, NJW 2013, 1043.
[191] BGH NJW 2013, 1043.
[193] OLG Koblenz DAR 2015, 650; LG Frankfurt DAR 2016, 528 (lässt 25 km genügen).

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