A. Allgemeines
Rz. 1
Der Verkäufer hat dem Käufer das Fahrzeug frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Wird diese Pflicht verletzt, folgen hieraus für den Käufer Mängelansprüche (§ 437 BGB) gegen den Verkäufer. Auch eine Anderslieferung gilt als mangelhaft (§ 434 Abs. 3 BGB).
Rz. 2
Praxistipp
Es ist insbesondere bei Importkäufen und Verkäufen durch Personen, die nicht Halter des Fahrzeugs sind, genau zu prüfen, gegen wen die Ansprüche als Verkäufer zu richten sind. Sachmängelansprüche bestehen nicht gegen den Vermittler (zu dessen Haftung vgl. § 17 Rdn 8), was vor allem beim Importvermittler von EU-Fahrzeugen leicht übersehen werden kann.
B. Sach- und Rechtsmängel
Rz. 3
Der Sachmangelbegriff wird in § 434 BGB negativ definiert, d.h. die Kaufsache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB).
Rz. 4
Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB).
Rz. 5
Falls keine vertraglich vorausgesetzte Verwendung feststellbar ist, ist sie mängelfrei,
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wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB), |
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insbesondere aufgrund von öffentlichen Werbeaussagen oder der Kennzeichnung (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB). |
Rz. 6
Aus der Negativdefinition folgt keine Umkehr der Beweislast. Hat der Käufer den Pkw als Erfüllung angenommen, trägt er die Beweislast für die Mängel. Weist er ihn jedoch unter Berufung auf die fehlende Vertragsmäßigkeit zurück, ist es Sache des Verkäufers, die Vertragsmäßigkeit und damit das Fehlen von Mängeln zu beweisen (zum Verbrauchsgüterkauf vgl. § 14 Rdn 21).
Rz. 7
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Sachmangels ist der des "Gefahrübergangs", in dem die Preisgefahr auf den Käufer übergeht, also in der Regel bei Übergabe (§ 446 BGB), beim Versendungskauf bei Übergabe an die Versandperson (§ 447 BGB), beim Versendungskauf im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs (von einem Unternehmer an einen Verbraucher, vgl. § 14 Rdn 1 ff.) jedoch wiederum erst bei Übergabe an den Käufer (§ 474 Abs. 2 BGB). Der Annahmeverzug des Käufers (§ 293 BGB) steht der Übergabe gleich, so dass Mängel, die nach Eintritt des Annahmeverzugs auftreten, keine Sachmängelhaftungsansprüche begründen. Die Käuferrechte entfallen nach richtiger Auffassung, wenn der im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhandene Mangel vor Durchführung der Rückabwicklung wegfällt.
Rz. 8
Der Käufer trägt die Beweislast dafür, dass ein Sachmangel vorliegt und der Sachmangel auch zum Zeitpunkt des Besitzübergangs vorgelegen hat. Er muss im Prozess im Einzelnen konkret darlegen, wann welcher der von ihm genannten Mängel aufgetreten ist und dass diese Mängel zzt. der Rücktrittserklärung noch bestanden haben. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, dem Käufer interne Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit dieser seinen Sachvortrag konkretisieren kann. Beim Verbrauchsgüterkauf (vgl. § 14 Rdn 1) entfällt aufgrund der Rückwirkungsvermutung des § 476 BGB die Beweislast für den Zeitpunkt (vgl. § 14 Rdn 21). Im Übrigen kann bei Elektronikmängeln an hochwertigen, fast neuwertigen Gebrauchtfahrzeugen, die sich erstmalig nach kurzer Zeit und dann trotz Nachbesserungsversuchen immer wieder zeigen, in der Regel davon ausgegangen werden, dass diese bereits bei Übergabe vorlagen. Eine entsprechende tatsächliche Vermutung wurde auch angenommen für einen Motorschaden an einem modernen vier Jahre alten und 88.000 km gelaufenen Mittelklassewagen mit Dieselmotor, der ausreichend mit Schmier- und Kühlmittel versorgt war, was wegen der Möglichkeit eines Bedienungsfehlers zu weit gehen dürfte.
Rz. 9
Jede dem Käufer ungünstige Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit löst die Käuferrechte aus; nur bei absoluten Bagatellen kann das Schikaneverbot (§ 226 BGB) eingreifen, wenn die Ausübung des Rechts nur den Zweck haben kann, dem Verkäufer Schaden zuzufügen. Der Rücktritt (§§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 5 S. 2 BGB, dazu vgl. Rdn 135 ff.) und der Schadensersatz statt der ganzen Leistung (§§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 3 BGB, dazu vgl. Rdn 223 ff.) setzen allerdings eine erhebliche Pflichtverletzung (vgl. Rdn 137) voraus, die Minderung wiederum nicht (§ 441 Abs. 1 S. 2 BGB, vgl. Rdn 199 ff.).
Praxistipp
Jeder Verbraucher aus einem EU-Land kann bei einem Kauf von einem Händler in der EU gem. Art. 15 Abs. 1 Buchst. C der VO (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit seine Gewährleistungsansprüche vor seinem Heimatgericht geltend machen, sofern der Händler auch ausländische Kunden aus dem Heimatland des Käufers fernkontaktiert (z.B. im Internet), auch wenn der Vertrag nicht im Fernabsatz geschlossen wurde.