Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 75
Während die Bestimmungen des BauGB und der BauNVO die Voraussetzung für die Zulässigkeit von Vorhaben generell regeln, bestimmen die Landesbauordnungen, in welchen Verfahren die Zulässigkeit zu prüfen und ggf. eine Baugenehmigung zu erteilen ist. Die Verfahrensregeln sind in den Bundesländern in der Regel gleich. Danach ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen (z.B. § 75 Abs. 1 LBauO NW). Der Behörde steht ein eigenes Ermessen bei dieser Entscheidung nicht zu. Vielmehr besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, der ggf. auch im Rahmen der Testamentsvollstreckung auch – notfalls mit gerichtlicher Hilfe – durchzusetzen ist.
Rz. 76
Im Rahmen der Prüfung, ob eine Baugenehmigung zu erteilen ist, sind nicht nur die bauplanungsrechtlichen Grundlagen zu beachten, sondern auch die gesetzlichen Grundlagen, zu denen beispielsweise die Brandschutzbestimmungen und die Bestimmungen zu statischen Voraussetzungen gehören. Alle weiteren Bestimmungen ergeben sich in Bezug auf bestimmte Baumaterialen und deren Verarbeitung. Zuletzt sind auch in geplanten Bereichen stets die Abstandsflächenregelungen des § 6 LBauO einzuhalten. Zudem kann eine Baugenehmigung stets nur dann erteilt werden, wenn die Erschließung gesichert ist. Gemäß § 4 LBauO gehört hier nicht nur die Erschließung über Wege, sondern auch die leitungsmäßige Erschließung, d.h. auch die Erschließung zur Versorgung mit Trink- und Löschwasser sowie das Vorhandensein von Abwasseranlagen. Erfolgt eine solche Sicherung nicht durch den unmittelbaren Zugang zum öffentlichen Kanal im anliegenden Straßennetz, bedarf es ggf. der zusätzlichen Absicherung durch Grunddienstbarkeiten bzw. Baulasten auf den in Anspruch genommenen Nachbargrundstücken. Ähnliches kann für die Anbindung von Stellplätzen bei größeren Vorhaben verlangt werden.
Rz. 77
Bei lärmverursachenden Vorhaben ist durch Gutachten nachzuweisen, dass die Grenzwerte der einschlägigen Verordnungen zum Bundesimmissionsschutzgesetz (insbesondere TA-Lärm) eingehalten sind. Die Berechnungen erfolgen aufgrund von Prognoseeinschätzungen durch Sachverständigen nach festgelegten Regeln. Gleiches kann in Bezug auf sonstige Immissionen anderer Betriebe gefordert werden. Löst ein Vorhaben einen erheblichen Verkehr aus, ist durch entsprechende Verkehrsgutachten die Bewältigung des Verkehrs nachzuweisen. Sollten hierzu weitere Maßnahmen erforderlich sein, ist deren Sicherstellung zu belegen.
Praxishinweis
Die erteilte Baugenehmigung entfaltet dingliche Wirkung. Sie gilt demzufolge nicht nur im Rechtsverhältnis zwischen dem Bauantragsteller und der Baugenehmigungsbehörde. Vielmehr wird sie in Bezug auf das Grundstück erteilt und entfaltet damit auch Wirkung zugunsten und zulasten der Rechtsnachfolger am Eigentum des Grundstückes. Mit einem positiven Bauvorbescheid oder gar einer Baugenehmigung ist ein unbebautes Grundstück in aller Regel deutlich mehr wert als ohne. Ein erfahrener Testamentsvollstrecker, der wie ein umsichtiger und solider, zugleich aber dynamischer Geschäftsführer agiert, wird dies zu nutzen wissen.
Rz. 78
Die Baugenehmigung stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG der Länder dar, gegen den die nach der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Rechtsmittel gegeben sind. Nach Abschaffung der Widerspruchsverfahren in den meisten Bundesländern ist gegen die Erteilung einer Baugenehmigung nur die Klage möglich. Klagebefugt ist der durch eine Baugenehmigung benachteiligte Bauherr, sofern mit der erteilten Baugenehmigung das beantragte Baurecht nicht gewährt wurde und nach seiner Auffassung ein Anspruch auf Erteilung einer weitergehenden Baugenehmigung besteht.
Rz. 79
Eine Klagebefugnis besteht jedoch auch für Dritte, insbesondere durch Nachbarn, sofern sie durch die Erteilung der Baugenehmigung in ihren Rechten beeinträchtigt werden. Dabei ist jedoch von Bedeutung, dass die Rechtsprechung den Nachbarschutz nur in Bezug auf solche Vorschriften prüft, die eine sogenannte nachbarschützende Wirkung entfalten. Hier handelt es sich um solche Normen, die sich entweder aus dem Gesetz oder aus dem Bauplanungsrecht (Bebauungsplan) ergeben und welche dafür geschaffen wurden, insbesondere dem Schutz der Nachbarn zu dienen. Hierzu gehören nach gefestigter Rechtsprechung die Vorschriften über die Abstandsflächen (§§ 6 ff. LBauO) und die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften. Hierzu gehören beispielsweise nicht die Bestimmungen zur Anlage von Parkflächen (Stellplatzregelungen) oder nicht mit immissionsschutzrechtlichen Folgen verbundenen Verkehrsbelastungen. Darüber hinaus gewährt die Rechtsprechung Rechtschutz gegenüber belastenden Baugenehmigungen auf Nachbargrundstücken nur im Rahmen des sogenannten Gebietserhaltungsanspruches und im Rahmen des aus § 15 Abs. 2 BauNVO hergeleiteten Gebots der Rücksichtnahme. Der Gebietserhaltungsanspruch soll sicherstellen, dass sich Nachbarn darauf berufen können, eine...