Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
I. Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Testamentsvollstreckers
Rz. 117
Jede Person genießt zu Lebzeiten Datenschutz. Postmortaler Datenschutz muss dagegen zu Lebzeiten vom Erblasser veranlasst werden und bedarf eine Umsetzung des letzten Willens nach dem Tod. Auch ohne eine solche Regelung des Erblassers ist Datenschutz möglich, sofern der mutmaßliche Wille dies erkennen lässt. Die Ermittlung des mutmaßlichen Willens kann sich jedoch als äußert schwierig erweisen, insbesondere, wenn der Erblasser mit seinen Erben nie über das Thema gesprochen hat. Ohne ausdrückliche oder wenigstens im Wege der Testamentsauslegung zu ermittelnde Regelung stehen die Daten den Erben im Rahmen des Zugangsanspruches zum Nutzerkonto grundsätzlich zur freien Verfügung.
Rz. 118
Der Erblasser kann in seiner letztwilligen Verfügung bestimmen, dass ein oder mehrere Erben das Recht haben, frei über den digitalen Nachlass zu verfügen. Auch einzelne digitale Inhalte können im Wege eines Vermächtnisses oder einer Teilungsanordnung einer bestimmten Person zugewendet werden. Verhaltensanforderungen können im Rahmen einer Auflage festgelegt werden, zu deren Absicherung eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden kann. Der Testamentsvollstrecker würde dann gewissermaßen zu einem "postmortalen Datenschutzbeauftragten". Die Verwaltungsanordnungen können auch direkt an den Testamentsvollstrecker gerichtet sein, z.B. wenn dieser bestimmte Benutzerkonten und/oder Daten bzw. Datenordner löschen soll. Er ist auch befugt, Online-Vertragsverhältnisse zu kündigen oder die physische Vernichtung von Datenträgern auf Wunsch des Erblassers zu veranlassen. So kann auch der Zugriff der Erben beschränkt oder gar verhindert werden.
Gestaltungshinweis
Bei einem bloßen (Voraus-)Vermächtnis besteht die Gefahr, dass die Erben vor Erfüllung des Vermächtnisses auf die Daten zugreifen können. Die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers ist daher empfehlenswert.
Praxishinweis
Es ist durchaus denkbar, einen Erben oder Testamentsvollstrecker mit der Weiterführung einer Homepage zu beauftragen. Zu beachten ist dabei insbesondere die Pflicht, unverzüglich das Impressum zu ändern, vgl. § 6 TMG.
Rz. 119
Eine noch wenig erörterte Frage ist der Umgang des Testamentsvollstreckers mit Dokumenten aus dem Nachlass, die personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthalten, also alle Informationen, die sich auf eine (indirekt) identifizierte bzw. identifizierbare natürliche Person beziehen, wie zum Beispiel Namen und Adressen. In seiner Entscheidung vom 12.7.2018 hat der BGH festgehalten, dass lediglich die personenbezogenen Daten Lebender dem Datenschutz unterfallen, vgl. DSGVO-Erwägungsgrund 27. Das bedeutet, dass der Testamentsvollstrecker im Hinblick auf die personenbezogenen Daten des Erblassers in aller Regel unbesorgt sein kann. Anders sieht es jedoch im Umgang mit den Daten lebender Personen aus. Mit diesen gerät der Testamentsvollstrecker bei der Nachlassabwicklung regelmäßig in Berührung, sei es, dass er sie selbst erhebt (z.B. die Adressdaten der Vermächtnisnehmer, aber auch von Darlehensschuldnern etc.), sei es, dass er im Nachlass personenbezogene Daten vorfindet, die der Erblasser erhoben hat. Es handelt sich bei dem Umgang mit personenbezogenen Daten um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, sodass die Verarbeitung grundsätzlich nur mit Einwilligung des Betroffenen möglich sein soll. Diese wird häufig nicht vorliegen, so dass auf die Ausnahmeregelung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b, c DSGVO zurückzugreifen ist.
Rz. 120
Zu beachten ist jedoch in jedem Falle der Grundsatz der Zweckbestimmung, welcher besagt, dass die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung sich nur auf den jeweils bestimmten Zweck bezieht.
Praxishinweis
Der Testamentsvollstrecker ist eigener Verantwortlicher i.S.d. DSGVO. Werden die Daten (z.B. Kontaktdaten der Erben) nicht beim Betroffenen (Erbe) selbst erhoben, sondern vom Erblasser ohne dessen Wissen beim Testamentsvollstrecker hinterlegt, ist z.B. im Hinblick auf die Informationspflicht Art. 14 DSGVO einschlägig. Der Testamentsvollstrecker muss die datenschutzrechtliche Informationspflicht dann bei der ersten Kontaktaufnahme erfüllen (Art. 14 Abs. 3 lit. b DSGVO).
Rz. 121
Besondere Aufmerksamkeit verdienen außerdem die sogenannten technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOMs) im Sinne von Art. 32 DSGVO zum Schutz der personenbezogenen Daten vor Verlust, Zerstörung oder Beschädigung. Der Testamentsvollstrecker hat sich immer an den aktuellen Standards zu orientieren. Dazu gehören insbesondere:
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Zutritts- oder Zugangskontrolle |
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getrennte Verarbeitung von Daten, die zu unterschiedlichen Zwecken erhoben wurden (Trennungsgebot) |
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Verschlüsselung von Daten |
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Protokollierung von Zugriffen auf diese oder auch die Verwendung einer Firewall |
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Backuperstellung, um eine Verfügbarkeit der Daten durch Wiederherstellung nach Datenverlust zu gewährleisten. |
Rz. 122
Mit dem Inkrafttreten der DSGVO sind Unternehmen nicht nur verpflichtet, alte Verfahrensverzeichnisse im Sinne des modernisierten BDSG zu aktualisieren,...