Rz. 44
Nach Abzug von Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt verbleiben M nur 1.079,50 EUR (1.900 – 345,50 – 475 EUR). Weder der Ehegattenmindestselbstbehalt gegenüber der geschiedenen Ehefrau (1.280 EUR) noch der Selbstbehalt gegenüber dem minderjährigen Kind (1.160 EUR) ist gewahrt (zu den Selbstbehaltsätzen siehe Nr. 21 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien bzw. der SüdL, Anhang Nr. 3). Es liegt ein unechter – K und F1 sind nicht gleichrangig – Mangelfall vor.
a) Vorrang des Kindesunterhalts
Rz. 45
Der Kindesunterhalt ist vorrangig und vorab zu befriedigen. Nach Abzug dieses Kindesunterhalts verbleiben M, wie oben schon festgestellt, noch 1.554,50 EUR.
1.900 EUR (Einkommen M) – 345,50 EUR (Zahlbetrag Kindesunterhalt) = 1.554,50 EUR.
b) Verteilbare Mittel für den Ehegattenunterhalt
Rz. 46
Um den Ehegattenmindestselbstbehalt des M zu wahren, stehen für Ehegattenunterhalt nur 274,50 EUR (1.554,50 – 1.280 EUR) zur Verfügung.
aa) Vorrang der F1
Rz. 47
Die Mittel reichen bereits nicht für den Unterhalt von F1. Zudem ist M auch der F2 zum Unterhalt verpflichtet. Dies könnte eine Kürzung des Unterhalts der F1 erforderlich machen.
bb) Nachrang der F2
(1) Grundsatz
Rz. 48
F2 ist im Fallbeispiel nachrangig. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch wirkt sich grds. nicht auf den Unterhalt der vorrangigen F1 aus.
§ 1609 Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:
1. |
[…] |
2. |
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen, |
3. |
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen, |
4. |
[…] |
Rz. 49
F1 ist im Fallbeispiel vorrangig. Sie hat den Rang nach § 1609 Nr. 2 (Kinderbetreuung) während F2 in den 3. Rang fällt.
Rz. 50
Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der nachrangigen neuen Ehefrau ist keine sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1581 und führt deshalb nicht zu einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs der F1.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Ist ein neuer Ehegatte hingegen gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nachrangig, ist dessen Unterhaltsanspruch im Rahmen der Leistungsfähigkeit gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nicht als sonstige Verpflichtung zu berücksichtigen.
In solchen Fällen ist der Unterhaltspflichtige deswegen regelmäßig in Höhe des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen leistungsfähig. Allerdings ist ein neuer Ehegatte nur dann nach § 1609 Nr. 3 BGB nachrangig, wenn aus der neuen Beziehung kein weiteres minderjähriges Kind hervorgegangen ist, das noch betreut werden muss.
(2) Trotz Nachrangs der sonstigen Unterhaltspflicht: Einzelfallprüfung (Billigkeit)
Rz. 51
Es sind stets die individuellen Umstände zu berücksichtigen.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Im Einzelfall erlaubt die nach § 1581 BGB gebotene Billigkeitserwägung allerdings auch davon abweichende Ergebnisse, die neben dem Rang auf weitere individuelle Umstände gestützt werden können (vgl. insoweit Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 772, 773 f.; Gutdeutsch, FamRZ 2011, 523, 525; Schwamb, FamRB 2011, 120, 123 und Maier, FuR 2011, 182, 184). Als weiteres Billigkeitskriterium ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Mindestbedarf eines Unterhaltsberechtigten gedeckt wird (vgl. BT-Drucks 16/1830 S. 24; Götz/Brudermüller, NJW 2011, 801, 807).
Rz. 52
BGH, Urt. v.17.3.2010 – XII 204/08 Rn 20
Entsprechend ist auch Unterhaltsberechtigten mit einem nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB abgeleiteten Unterhaltsbedarf, der unter dem Existenzminimum liegt, ein Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums zuzubilligen. Denn ihr Bedarf kann nicht geringer sein, als der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten, der vom Unterhaltspflichtigen keinen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB ableiten kann.
Rz. 53
Mit dem Unterhalt von 274,50 EUR und dem Eigeneinkommen von 500 EUR ist nicht einmal der Mindestbedarf (960 EUR) der vorrangigen F1 gedeckt, so dass der Umstand, dass auch der Mindestbedarf der nachrangigen F2 nicht gedeckt ist, keine Kürzung des Unterhalts der F1 rechtfertigt.