1. Anspruchsgrundlage
Rz. 5
Bei F1 soll im Fallbeispiel ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt (vgl. hierzu Fall 19, siehe § 4 Rdn 1) bestehen.
2. Bedarf
Rz. 6
Die Dreiteilungsmethode kommt nicht zur Anwendung (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 1).
Der Unterhalt ist für beide Frauen getrennt nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln. Die Rangfrage, also die Frage, ob ein Partner vorrangig bzw. nachrangig ist, erlangt erst im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners Bedeutung – also dann, wenn die festgestellten Unterhaltsansprüche vom Unterhaltsschuldner nicht erfüllt werden können.
a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M
aa) Vorwegabzug Kindesunterhalt?
Rz. 7
Die 414,50 EUR (nicht der Tabellenbetrag) Kindesunterhalt sind vom Einkommen des M abzuziehen. Es handelt sich um ein Kind aus der ersten Ehe (zum Fall eines Kindes aus zweiter Ehe vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1 ff.).
3.200 – 414,50 EUR = 2.785,50 EUR
bb) Kein Abzug des Unterhalts für F2
Rz. 8
Ein etwaiger Unterhaltsanspruch von F2 ist bei der Bestimmung des Bedarfs von F1 nicht vom Einkommen des M abzuziehen. Denn diese Unterhaltslast hat die Ehe von M und F1 nicht geprägt (vgl. Fall 29, siehe § 7 Rdn 1).
BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 32
Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Senats eine nacheheliche Entwicklung, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, ohne Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dies gilt grundsätzlich insbesondere für die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten, die erst nach der Scheidung der ersten Ehe eintreten kann (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 26 m.w.N. und Senatsbeschluss vom 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Rn 15 m.w.N.).
BGH, Urt. v. 25.1.2012 – XII ZR 139/09
[…] hat der Unterhaltsanspruch der nachfolgenden Ehefrau keine Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf der früheren Ehefrau nach § 1578 BGB; dieser Anspruch ist allein im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB zu berücksichtigen, wobei es maßgeblich auf die Rangverhältnisse ankommt (Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09 Rn 38). Insoweit wird das Berufungsgericht gegebenenfalls Feststellungen zu den Rangverhältnissen der hier beteiligten Ehefrauen zu treffen haben (vgl. zum Rang Urt. v. 30.7.2008 – XII ZR 177/06, FamRZ 2008, 1911 Rn 65 f. i.V.m. Rn 58). Sollte das Berufungsgericht zu dem – nach den bisher getroffenen Feststellungen naheliegenden – Ergebnis gelangen, dass die jetzige Ehefrau nachrangig ist, dürfte eine etwaig ihr gegenüber bestehende Unterhaltsverpflichtung den Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht berühren (vgl. Urteile vom 7.12.2011 – XII ZR 151/09 Rn 49 und XII ZR 159/09 Rn 41).
Rz. 9
Diese 2.785,50 EUR (3.200 – 414,50 EUR Kindesunterhalt) sind also für den Ehegattenunterhalt maßgebend.
Erwerbstätigenbonus des M: 2.785,50 EUR × 10 % = 279 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 2.785,50 – 279 EUR = 2.506,50 EUR
b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1
Rz. 10
Das bereinigte Nettoeinkommen von F1 beträgt 500 EUR. Daraus ergibt sich ein Erwerbstätigenbonus der F1 von 50 EUR (10 % von 500 EUR). Das bedarfsbestimmende Einkommen der F1 beläuft sich also auf 500 – 50 EUR = 450 EUR.
c) Halbteilung (Grundsatz gleicher Teilhabe)
Rz. 11
Der Einzelbedarf der F1 beträgt ½ aus 2.956,50 EUR (2.506,50 + 450 EUR) = 1.478 EUR.
3. Ungedeckter Restbedarf der F1 (Unterhaltshöhe)
Rz. 12
Der Unterhaltsanspruch der F1, also der ungedeckte Bedarf (Restbedarf), also der ermittelte Bedarf abzüglich des (gekürzten) Eigeneinkommens, beläuft sich auf 1.028 EUR (= 1.478 – 450 EUR).
4. Leistungsfähigkeit
Rz. 13
Zum (variablen) eheangemessenen Selbstbehalt und zu seiner Untergrenze, dem (fixen) Ehegattenmindestselbstbehalt vgl. Fälle 18 und 35 (siehe § 3 Rdn 93 ff., § 10 Rdn 1 ff.).
Rz. 14
M ist auch der F2 zum Unterhalt verpflichtet. Dies könnte eine Kürzung des Unterhalts der F1 erforderlich machen, um den eheangemessenen Selbstbehalt des M zu wahren.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09
[…] der eigene angemessene Unterhalt nicht geringer sein darf als der an den Unterhaltsberechtigten zu leistende Betrag (Urteil BGHZ 109, 72 = FamRZ 1990, 260, 264; so auch Wellenhofer, FF 2011, 144, 147; Borth, FamRZ 2011, 445, 448 f.; Graba, FF 2011, 102, 105; Gutdeutsch, FamRZ 2011, 523, 524 f.; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 597, 598 f. und Maier, FuR 2011, 182; a.A. Maurer, FamRZ 2011, 849, 856 f.).
[…] hat der Senat schon in der Vergangenheit den individuellen Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen als "Kehrseite" des Unterhaltsbedarfs des Berechtigten behandelt und den angemessenen Unterhalt im Sinne von § 1581 BGB, bei dessen Gefährdung die Billigkeitsabwägung einzusetzen hat, mit dem Unterhaltsbedarf des Berechtigten nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichgesetzt (Urteil BGHZ 109, 72 = FamRZ 1990, 260, 264).
a) Sonstige Unterhaltspflicht?
Rz. 15
Eine Unterhaltspflicht gegenüber F2 kann Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des M haben.
§ 1581 Leistungsfähigkeit
Ist der Verpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, so braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht ...