Rz. 40
Jeder Beteiligte kann nach dem Gesetzeswortlaut des § 59 Abs. 1 ZVG verlangen, dass abweichend von den gesetzlichen Vorschriften ein neues oder weiteres geringstes Gebot aufzustellen ist. Eigentlicher Gedanke dieser Vorschrift dürfte sein, die starren Regelungen des Zwangsversteigerungsverfahrens zu brechen, um im Interesse der Beteiligten ein möglichst gutes wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen. Da durch die Abweichung das Recht eines anderen Beteiligten nicht beeinträchtigt werden darf, dies aber regelmäßig nicht ohne Weiteres feststellbar ist, werden zwangsläufig im Termin mehrere geringste Gebote aufzustellen sein. Wenn diese Verfahrensfolge dazu benutzt wird, um sich zum Nachteil anderer einen Vorteil zu verschaffen, das Verfahren unübersichtlich zu gestalten und damit Bietinteressenten abzuschrecken, ist dies unzulässig. Solche Anträge sind als Verfahrensmissbrauch zurückzuweisen.
Rz. 41
Der Antrag auf Feststellung abweichender Versteigerungsbedingungen kann jederzeit vor dem Zwangsversteigerungstermin gestellt werden, aber auch noch während des Termins, jedoch spätestens bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten, § 59 Abs. 1 S. 1 ZVG. Die zeitliche Begrenzung des Antrags auf Feststellung des von den gesetzlichen Vorschriften abweichenden geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen auf den Beginn der Bietzeit dient dazu, eine Reihe von Problemen aus dem Weg zu räumen, insbesondere Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern. Entsprechendes soll bei der Rücknahme des Antrags gelten.
Rz. 42
Ist das Abweichungsverlangen zulässig und ist keiner der Beteiligten hiervon beeinträchtigt, ist das Grundstück nur mit der Abweichung auszubieten. Zu den Beteiligten, die von der Abweichung betroffen sein können, zählt auch der Schuldner.
Rz. 43
Steht fest, dass ein Beteiligter beeinträchtigt ist, muss seine Zustimmung vorliegen. Nach Zustimmung wird das Grundstück wiederum nur mit der Abweichung ausgeboten. Die Zustimmung kann im Termin zu Protokoll erklärt werden oder schriftlich erfolgen. Eine öffentliche Beglaubigung der Zustimmungserklärung ist nicht erforderlich.
Rz. 44
Regelmäßig wird es jedoch so sein, dass die Beeinträchtigung eines Beteiligten nicht eindeutig festgestellt werden kann. Denn zumindest hängt die Beeinträchtigung wesentlich von der Höhe der abgegebenen Gebote ab, letztendlich kann die Beeinträchtigung somit erst am Schluss der Versteigerung festgestellt werden. In diesem Fall ist das Grundstück mit und ohne Abweichung auszubieten (Doppelausgebot).
Rz. 45
Liegen nach Schluss der Versteigerung Meistgebote auf alle Ausgebotsformen vor, kann der Zuschlag auf die Abweichung nur dann erteilt werden, wenn keine Beeinträchtigung eines Beteiligten gegeben ist. Hierbei sind die nach den gesetzlichen und den abweichenden Bedingungen abgegebenen Gebote in ihrem wirtschaftlichen Wert zu vergleichen.
Rz. 46
Umstritten ist nach wie vor die Frage, auf welches Gebot der Zuschlag zu erteilen ist, wenn nur ein Meistgebot auf die Abweichung abgegeben wurde. Sofern Beteiligte vorhanden sind, die durch das Meistgebot auf das Abweichungsverlangen nicht gedeckt sind oder überhaupt möglicherweise beeinträchtigt sind, kann der Zuschlag dann erteilt werden, wenn diese Beteiligten der Abweichung nachträglich zustimmen. Liegt keine Beeinträchtigung vor oder steht diese zumindest nicht sicher fest, ist der Zuschlag zu erteilen; stimmt der Beeinträchtigte zu, kann der Zuschlag ebenfalls erteilt werden; stimmt der Beeinträchtigte nicht zu, ist der Zuschlag zu versagen. Für die Zuschlagserteilung sind weder Gebote auf beide Ausgebotsarten noch der Beweis, dass eine Benachteiligung ausgeschlossen ist, notwendig. Werden im Falle eines Doppelausgebots Gebote nur auf die abweichenden Bedingungen abgegeben, denen der Schuldner nicht zugestimmt hat, darf der Zuschlag erteilt werden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des Schuldners bestehen.
Rz. 47
Rz. 48
Abweichungen im Einzelnen:
(1) |
Wird das Erlöschen eines Rechts beantragt, das grundsätzlich nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben würde, erhöht sich der bar zu zahlende Teil des geringsten Gebots. Hierzu ist ein Doppelausgebot erforderlich. |
(2) |
Wird das Bestehenbleiben eines Rechts beantragt, das nach den Versteigerungsbedingungen erlöschen würde, ist ein Doppelausgebot regelmäßig nicht notwendig. Dies kann nur dann erforderlich sein, wenn ein Zwischenberechtigter der Abweichung nicht zugestimmt hat. Es bedarf insbesondere nicht der Zustimmung eines den Rechten nachstehenden Beteiligten, § 59 Abs. 3 ZVG. Umstritten ist, ob auch die Zustimmung des Eigentümers erforderlich ist. Teilweise wird ohne jede Begründung angenommen, dass mit der Regelung in Abs. 3 auch die Zustimmung des Schuldners nicht erforderlich ist. Abgesehen davon, dass diese Ansicht im Gesetz keine Stütze findet, kann sie für den Schuldner zu einem wirtschaftlich untragbaren Ergebnis führen; seine Zustimmung ist daher... |