Rz. 1
Die Zwangsverwaltung ist eine weitere Form der Zwangsvollstreckung in Immobilien (§ 866 Abs. 1 ZPO). Sie ist ebenfalls im Zwangsversteigerungsgesetz in den §§ 146 bis 161 ZVG geregelt. Im Gegensatz zur Zwangsversteigerung, welche eine Zerschlagung des schuldnerischen Grundbesitzes durch Verwertung zum Ziel hat, ist Sinn und Zweck der Zwangsverwaltung, dass der Gläubiger seine Befriedigung aus den Erträgen (Miete, Pacht, sonstige Erträge) des Grundstücks erhält. Der Schuldner verliert somit nicht sein Eigentum, sondern im Wesentlichen seine Verfügungsgewalt über das Objekt. Diese Verfügungsgewalt geht auf den Zwangsverwalter über.
Wie bei jeder Vollstreckungsmaßnahme, so muss auch bei der Zwangsverwaltung ein Rechtschutzbedürfnis gegeben sein. Hierzu hat der BGH entschieden, dass ein solches auch dann besteht, wenn ein Vergleich zwischen dem erwarteten Verwertungserlös und den Pfändungs- und Verwertungskosten bei der Zwangsverwaltung nicht durchgeführt werden kann, somit die Regelung des § 803 Abs. 2 ZPO nicht geprüft und damit im Immobiliarvollstreckungsbereich nicht angewendet werden kann. Denn im formalisierten Anordnungsverfahren nach dem ZVG besteht für einen Gläubiger nicht die Möglichkeit, sich hierüber Gewissheit zu verschaffen. Selbst wenn sich durch hohe Vorbelastungen eine Befriedigungschance kaum ergibt, ist ein Rechtsschutzbedürfnis dadurch zu bejahen, dass das Grundstück im Zwangsverwaltungsverfahren einer einträglicheren Nutzung zuzuführen ist. Denn durch die auf den Verwalter übergehende Verfügungsgewalt kann dieser das Grundeigentum vor einem Verfall schützen, indem er es in einen besseren Zustand bringen lässt.
Rz. 2
Des Weiteren dient die Zwangsverwaltung dazu, als Ergänzung oder vorangehende Maßnahme den Erfolg der späteren Zwangsversteigerung zu ermöglichen. Denn mit der Grundstücksbeschlagnahme kann der Gläubiger nach seinen Möglichkeiten das Grundstück vor Wertminderungen und sonstigen Beeinträchtigungen schützen oder auch dessen Wert steigern, indem er z.B. ein steckengebliebenes Bauvorhaben weiterführt, um dann in der beabsichtigten Zwangsversteigerung einen höheren Erlös zu erzielen. Zwar sind in diesem Fall i.d.R. durch den Gläubiger entsprechende Vorschüsse zu leisten, diese erhält er allerdings durch die beste Rangstelle zurück (§§ 155 Abs. 3, 161 Abs. 3, 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG).
Rz. 3
Ebenso kann in Vorbereitung einer bislang nicht aussichtsreichen Zwangsversteigerung der Gläubiger etwa vorhandene Altlasten beseitigen und so die Erlöserwartung steigern. Da mit der Beschlagnahme in der Zwangsverwaltung dem Eigentümer die Verfügungsbefugnis gegenüber Dritten entzogen wird, kann der Gläubiger mit der Zwangsverwaltung zugleich auch verhindern, dass der Eigentümer kurz vor dem Zwangsversteigerungstermin noch durch Abschluss eines langfristigen Mietvertrages versucht, die Zwangsversteigerung dadurch zu verhindern, dass der Ersteher in diesen Mietvertrag eventuell eintritt (vgl. §§ 57 ff. ZVG) (vgl. auch § 10 Rdn 130 ff.).
Rz. 4
Ein weiterer Vorteil gegenüber der Zwangsversteigerung besteht auch regelmäßig darin, dass das im Zwangsversteigerungsverfahren zu erbringende Gutachten über den Verkehrswert des Grundstückes (§ 74a Abs. 5 S. 1 ZVG) unproblematisch erstellt werden kann. Denn würde die Zwangsverwaltung nicht angeordnet werden, könnte der Schuldner dem Gutachter den Zutritt zu dem Grundstück verweigern. Das Gutachten wäre dann nach dem bloß äußeren Eindruck bzw. den vorliegenden Plänen und Unterlagen zu fertigen. Der Zwangsverwalter kann jedoch dafür sorgen, dass der Gutachter Zutritt zu dem Grundstück und den einzelnen Wohnungen erhält.
Rz. 5
Gleich, ob die Zwangsverwaltung zur Befriedigung des Gläubigers nur aus den gezogenen Nutzungen des Grundstücks oder daneben auch zur Vorbereitung der Zwangsversteigerung dienen soll, ist sie stets unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben und mit Bewusstsein für die wirtschaftlichen Möglichkeiten durchzuführen. Die Zwangsverwaltung muss nicht nach starren Regeln, nicht nach bürokratischen Grundsätzen durchgeführt werden; sie ist vielmehr nach vernünftigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu gestalten (vgl. § 1 Abs. 1 ZwVwV). Gericht und Zwangsverwalter müssen gesetzmäßig verfahren, zugleich aber mit Blick auf das Verfahrensziel wirtschaftlich sinnvoll handeln; sie dürfen sich nicht an Vorschriften klammern, nicht für jeden Vorgang eine gesetzliche Regel oder eine Anweisung suchen.“