Rz. 76
Bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wird in erheblichem Umfang in Rechtspositionen – vor allem des Schuldners – eingegriffen. Daher sind die Rechtsbehelfsmöglichkeiten in der Zwangsvollstreckung für alle Beteiligten besonders wichtig. Diese lassen sich in formelle und materiell(-rechtlich)e Einwendungen unterteilen.
1. Formelle Einwendungen
Rz. 77
Soll eine Verletzung der formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung oder die Durchführung des Zwangsvollstreckungsverfahrens gerügt werden, sind folgende Rechtsbehelfe relevant:
a) Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO
Rz. 78
Nach § 766 Abs. 1 ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom jeweiligen Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher etc.) bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen.
Rz. 79
Im umgekehrten Fall der Weigerung des Gerichtsvollziehers, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung auftragsgemäß auszuführen, sowie gegen die vom ihm in Ansatz gebrachten Kosten steht als Rechtsbehelf die Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO zur Verfügung.
Rz. 80
Es stellt sich die Frage, wann die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO einzulegen ist. Im Vollstreckungsverfahren gibt es eine Reihe von Rechtsbehelfen, die voneinander abgegrenzt werden müssen. Entscheidend ist dabei immer das Ziel, das der Antragsteller mit einem Rechtsbehelf erreichen will. Eine falsche Bezeichnung des Rechtsbehelfs gegenüber dem Gericht ist grundsätzlich unschädlich (falsa demonstratio non nocet), weil der Richter gehalten ist, den Antrag auszulegen und so den tatsächlich gewünschten Rechtsbehelf herauszufinden. Zum besseren Verständnis der Systematik der ZPO soll an dieser Stelle daher eine kurze Abgrenzung der Vollstreckungserinnerung von anderen Rechtsbehelfen (auch außerhalb der ZPO) vorgenommen werden:
Rz. 81
Die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO richtet sich gegen Entscheidungen, die im Vollstreckungsverfahren durch Beschluss und deswegen ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO) ergehen können. Vollstreckungserinnerung und sofortige Beschwerde schließen sich gegenseitig aus. Für die Abgrenzung zwischen Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO und sofortiger Beschwerde nach § 793 ZPO kommt es darauf an, ob eine "richterliche Entscheidung" (= sofortige Beschwerde) oder eine "Vollstreckungsmaßnahme" (= Vollstreckungserinnerung) vorliegt. Die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist daher der richtige Rechtsbehelf gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher sowie gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Vollstreckungsgerichts (Richter oder Rechtspfleger), soweit es sich hierbei nicht um Entscheidungen handelt. Ein wichtiges Kriterium für die Abgrenzung einer Entscheidung von einer Vollstreckungsmaßnahme ist die Tatsache, ob eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolgt ist (dann: Entscheidung) oder nicht (dann: Vollstreckungsmaßnahme). Ein Indiz für das Vorliegen einer solchen Abwägung ist die Gewährung rechtlichen Gehörs, wonach regelmäßig ein zweiseitiges Vorbringen gegeben sein wird.
Vollstreckungsmaßnahmen sind folglich Zwangsmaßnahmen (in Form eines Beschlusses oder einer Verfügung), die auf Antrag oder von Amts wegen ohne Anhörung der übrigen Beteiligten ergehen.
Entscheidungen ergehen demgegenüber regelmäßig nach Anhörung aller Beteiligten.
Rz. 82
Gegen Entscheidungen des Rechtspflegers ist regelmäßig die sofortige Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 793 ZPO der richtige Rechtsbehelf. In Ausnahmefällen kommt auch die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG in Betracht. Rechtspflegererinnerung und Vollstreckungserinnerung schließen sich ebenfalls gegenseitig aus. Statthaft gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers ist die Rechtspflegererinnerung (§ 11 Abs. 2 RPflG), gegen eine Vollstreckungsmaßnahme dagegen die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO).
Rz. 83
Die Frage einer Konkurrenz zwischen der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO und der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO stellt sich nicht, weil die Erinnerung nach § 732 ZPO allein dem Klauselverfahren zuzuordnen und dieses wiederum dem Vollstreckungsverfahren vorgeschaltet ist.
Rz. 84
Trifft das Grundbuchamt eine Entscheidung/Maßnahme, ist der dagegen zu richtende Rechtsbehelf ausschließlich die Beschwerde nach § 71 GBO, auch wenn der Rechtspfleger tätig geworden ist (§ 11 Abs. 1 RPflG). Dies liegt daran, dass eine solche Maßnahme allein nach den Vorschriften und dem Verfahren der GBO ergeht, wofür § 71 GBO einen speziellen Rechtsbehelf (die Beschwerde) vorsieht.
Rz. 85
Will der Schuldner Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst gelten machen, geschieht dies allein mit der Vollstreckungsabwehrklage (auch "Vollstreckungsgegenklage" genannt) nach § 767 ...