Rz. 5
Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit kennt – im Gegensatz zu den Spezialgerichtsbarkeiten – vier Ordnungen von Gerichten. Dies sind gem. § 12 GVG die Amtsgerichte, die Landgerichte, die Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof.
I. Amtsgericht
Rz. 6
Das Amtsgericht (nachfolgend auch im Plural "AG") ist in der Gerichtshierarchie die unterste Stufe. Es ist das Eingangsgericht, d.h. die erste Instanz für alle auf Geld bis zu einer Klageforderung von 5.000,00 EUR gerichteten Klagen, weiter ist es für alle Wohnungsmietstreitigkeiten und für besonders zugewiesene Sachen (siehe §§ 23 ff. GVG) sachlich zuständig. Ein Amtsgerichtsbezirk umfasst regelmäßig eine oder mehrere Gemeinden, es gibt aber auch große Städte wie insbesondere Berlin, wo es für die Stadt geordnet nach Bezirken mehrere AG gibt. Bei den AG sind Zivilrichter immer als Einzelrichter tätig, es gibt im Bereich der amtsgerichtlichen Zivilgerichtsbarkeit anders als bei den übergeordneten Gerichten keine Kollegialgerichte, d.h. keine mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörper.
II. Landgericht
Rz. 7
Das Landgericht (LG) ist sowohl Eingangs- als auch Rechtsmittelgericht: Als Eingangsgericht ist es zuständig für alle Klagen oberhalb von 5.000,00 EUR (§ 71 GVG) und als Berufungsgericht für die gegen Entscheidungen der ihm zugeordneten AG eingelegten Berufungen (§ 72 GVG). Der Landgerichtsbezirk umfasst regelmäßig mehrere Amtsgerichtsbezirke.
Rz. 8
Anders als bei den AG in Zivilsachen sind die LG in Kammern aufgeteilt, denen normalerweise mindestens drei Berufsrichter angehören, von denen einer als Vorsitzender Richter fungiert. Während es noch vor 10 bis 15 Jahren der Normalfall war, dass die Kammer über fast alle anhängigen Prozesse in der Dreierbesetzung entschied und eher nur in Einzelfällen das Verfahren auf ein Kammermitglied alleine übertrug, ist im Interesse der auch in der Justiz gewünschten Effizienzsteigerung in der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle pro Kammer heute der Regelfall, dass nicht mehr die Kammer als Ganzes, sondern vielmehr gem. § 348 Abs. 1 ZPO grds. der Einzelrichter, d.h. das sich aus dem gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan ergebende Kammermitglied, alleine entscheidet. Ausnahmen hiervon gelten nur für Richter auf Probe, die noch kein Jahr als Zivilrichter tätig waren, und für die sich aus § 348 Abs. 1 ZPO ergebenden sog. Katalogstreitigkeiten. Bei Zweifeln über deren Auslegung entscheidet die Kammer gem. § 348 Abs. 2 ZPO durch Beschluss über den zuständigen Richter. Der Einzelrichter wiederum muss die ihm originär zugewiesenen Rechtsstreitigkeiten der gesamten Kammer zur Übernahme vorlegen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bereitet, sie grundsätzliche Bedeutung hat oder die Parteien dies übereinstimmend beantragen. Die Kammer ist zur Übernahme allerdings nur in den erstgenannten zwei Fällen, also bei besonderer Schwierigkeit oder grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits verpflichtet, § 348 Abs. 3 ZPO. Anfechtbar sind weder die unterlassene Vorlegung noch die Übernahme oder deren Ablehnung, § 348 Abs. 4 ZPO.
Rz. 9
Ist der Einzelrichter nach § 348 ZPO wegen Vorliegens einer Katalogstreitigkeit oder weil der eigentlich zuständige Richter noch Proberichter mit weniger als einem Jahr Zivilprozesserfahrung ist, nicht zuständig, hat die Kammer als Ganzes den Rechtsstreit zu führen. Jedoch gilt insoweit die bedeutsame Einschränkung des § 348a Abs. 1 ZPO, nach der die Kammer den Rechtsstreit in weniger bedeutsamen und schwierigen Fällen dem dann als obligatorisch bezeichneten Einzelrichter übertragen muss. Eine Rückübertragung ist möglich, eine Anfechtung der Übertragung oder ihrer Unterlassung hingegen nicht, § 348a Abs. 2, 3 ZPO. Natürlich war und ist es zu begrüßen, dass durch die Einzelrichtertätigkeit mehr Verfahren schneller geführt werden können, aber das Mehraugenprinzip der Kammer und die innere Kontrolle und Absicherung hat auf der anderen Seite ein im Schnitt höheres Qualitätsniveau aus Sicht der Rechtssuchenden. Dieses Qualitätsniveau wurde leider bei der Reform geopfert. Aber in Zeiten leerer Staatskassen ist es eben offensichtlich nicht möglich, so viele Richter und Richterinnen einzustellen, dass man wieder zum Kollegialgericht als Regelfall zurückgehen könnte.
Rz. 10
Auf eine besondere Zuständigkeit der LG sei noch ergänzend hingewiesen: Eine ganze Reihe von Landesregierungen haben von der gesetzlichen Ermächtigung aus § 93 GVG Gebrauch gemacht und für sog. Handelssachen (siehe die zugehörige Definition in § 95 GVG) besondere Kammern beim LG gebildet, die sog. Kammern für Handelssachen. Diese sind zuständig, wenn die Klage bei Handelssachen ausdrücklich zu dieser Kammer erhoben wird oder eine Verweisung zu diesen Kammern beantragt wird.
Die Kammern für Handelssachen (auch kurz KfH genannt) sind nicht mit drei Berufsrichtern besetzt, sondern lediglich mit einem als Vorsitzenden arbeitenden Berufsrichter und zwei Handelsrichtern, d.h. Laienrichtern, die ähnlich wie die Schöffen im Strafverfahre...