Rz. 33
Unter Prozessfähigkeit versteht man die Fähigkeit, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens Prozesshandlungen vornehmen zu können. Ist also die Parteifähigkeit die grundsätzliche Möglichkeit, überhaupt Partei eines Prozesses zu sein, ist prozessfähig nur derjenige, der auch in der Lage ist, sich durch Verträge zu verpflichten, § 52 Abs. 1 ZPO. Die Prozessfähigkeit entspricht daher weitgehend der Geschäftsfähigkeit. Fehlt sie der klagenden Partei, ist die Klage unzulässig, fehlt sie der beklagten Partei, hat das Gericht für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen, falls dies notwendig ist, § 57 ZPO.
Soweit das FamFG das maßgebliche Verfahrensrecht ist, spricht man von Verfahrensfähigkeit; es gelten im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie nach der ZPO.
1. Natürliche Personen
Rz. 34
Prozessfähig/verfahrensfähig ist jede natürliche Person, die voll geschäftsfähig ist.
Anders als im Recht der Minderjährigen, das eine beschränkte Geschäftsfähigkeit vorsieht, gibt es eine beschränkte Prozessfähigkeit nicht. Von diesem Grundsatz bestehen jedoch Ausnahmen. Partiell prozessfähig/verfahrensfähig sind:
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Beschränkt Geschäftsfähige für Rechtsstreitigkeiten aus einem mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters betriebenen Erwerbsgeschäft oder einem solchen Dienst- oder Arbeitsverhältnis. |
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Beschränkt Geschäftsfähige für Ehesachen (§ 125 FamFG). |
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Minderjährige Kinder in Kindschaftssachen, denen allerdings regelmäßig ein Verfahrensbeistand zur Seite gestellt wird (§ 158 FamFG). |
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In Unterbringungssachen der Unterzubringende (§ 316 FamFG). |
Von den vorstehenden Ausnahmen abgesehen sind nicht geschäftsfähige natürliche Personen, namentlich Minderjährige oder wegen Geistesschwäche nicht Geschäftsfähige, nicht prozessfähig/verfahrensfähig.
2. Juristische Personen
Rz. 35
Nicht prozessfähig sind sämtliche juristischen Personen, da sie nicht selbst, sondern nur durch ihre Organe handlungsfähig sind.
3. Gesetzlicher Vertreter
Rz. 36
Eine natürliche oder juristische Person, die nicht prozessfähig ist, kann einen Rechtsstreit durch ihren gesetzlichen Vertreter führen.
Rz. 37
Gesetzliche Vertreter für natürliche Personen und Vermögensmassen von Personen sind:
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bei Minderjährigen die Eltern oder der sorgeberechtigte Elternteil (§§ 1627, 1629 BGB), |
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bei Betreuten der bestellte Betreuer; der geschäftsfähige Betreute kann aber auch eigenständig auftreten, sofern er nicht unter Einwilligungsvorbehalt steht (vgl. § 1903 BGB), |
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für den Nachlass ein Nachlasspfleger oder -verwalter oder Testamentsvollstrecker, sofern ein solcher bestellt worden ist, |
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für die Insolvenzmasse der Insolvenzverwalter. |
Rz. 38
Gesetzliche Vertreter juristischer Personen sind:
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beim Verein der Vorstand, |
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bei der AG der Vorstand, der seinerseits durch den Vorstandsvorsitzenden vertreten wird, |
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bei der GmbH der oder die Geschäftsführer, |
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bei der OHG jeder Gesellschafter, |
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bei der KG der Komplementär, |
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bei der GmbH & Co. KG, die eine KG ist, die Komplementär-GmbH, diese wiederum vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer, |
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bei der GbR der mit der Geschäftsführung beauftragte Gesellschafter; ist keiner nachweislich beauftragt, alle Gesellschafter zusammen, |
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bei der WEG in der Regel der Verwalter, |
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bei Gemeinden der Bürgermeister, |
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bei Landkreisen der Landrat, |
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bei Bund und Ländern die einzelnen Fachministerien. |
4. Büromäßige Behandlung
Rz. 39
Beim Abfassen einer Klageschrift muss auf die genaue Bezeichnung der Parteien geachtet werden, weiter müssen die Vertretungsverhältnisse – bei Fällen gesetzlicher Vertretung – im Klagerubrum angegeben werden, sofern die eigene Partei oder die andere nicht prozessfähig ist. Fehlt diese Angabe, besteht die Gefahr, dass der Prozessgegner oder das Gericht die fehlende Prozessfähigkeit rügt, da dies von Amts wegen zu prüfen ist. Es muss also ggf. ein Handelsregisterauszug eingeholt werden, um festzustellen, wer der aktuelle Geschäftsführer der zu verklagenden GmbH ist.