1. Der Unterschied zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis
Rz. 13
In der Praxis kommt es häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, wenn der Erblasser keine exakte Formulierung gewählt hat. Im Folgenden daher noch einmal die Unterschiede zusammengefasst:
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Während die Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB quasi nur den Erbteil konkretisiert, wird das Vorausvermächtnis zusätzlich zum Erbteil erworben. |
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Nach § 2176 BGB erhält der durch ein Vorausvermächtnis bedachte Miterbe sofort mit dem Erbfall einen schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch gegen die Erben, während die Teilungsanordnung nur im Wege der Erbauseinandersetzung geltend gemacht werden kann. Der Miterbe kann auch die Übernahme des ihm durch eine Teilungsanordnung zugewiesenen Gegenstandes grundsätzlich nicht verweigern. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn er in seinem Pflichtteilsrecht beeinträchtigt wird (vgl. §§ 2305, 2306 Abs. 1 BGB). Ein Vorausvermächtnis kann demgegenüber einfach ausgeschlagen werden. |
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Bei Ausschlagung der Erbschaft wird auch die mit dem Erbteil verbundene Teilungsanordnung gegenstandslos, was bei einem Vorausvermächtnis nicht der Fall ist. Möglich ist aber, dass der Erblasser das Vorausvermächtnis nur unter der Bedingung gewährt, dass der Bedachte auch die Erbschaft annimmt. |
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Eine Teilungsanordnung ist im Gegensatz zum Vorausvermächtnis stets frei widerruflich (§§ 2253, 2299 BGB), weil sie weder vertraglich noch wechselbezüglich angeordnet werden kann, §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB. Auch genießt der durch ein Vorausvermächtnis Bedachte schon vor dem Erbfall den Schutz des § 2288 BGB gegen lebzeitige Zweitverfügungen des Erblassers. Wie bereits erwähnt, besteht grundsätzlich auch keine Nacherbenbeschränkung bezüglich des Gegenstands des Vorausvermächtnisses (vgl. § 2110 Abs. 2 BGB). |
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Das Vorausvermächtnis gehört gemäß § 1973 BGB nach seinem Vollzug nicht mehr zum haftenden Nachlass bei der beschränkten Erbenhaftung. Insofern ist nur noch eine Anfechtung durch die Nachlassgläubiger nach § 322 InsO bzw. § 3a AnfG möglich. Grundsätzlich genießt der Vorausvermächtnisnehmer also einen stärkeren Schutz als der durch die Teilungsanordnung Begünstigte. |
2. Die Auslegung bei Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis
Rz. 14
Für die Frage, ob es sich bei der Anordnung um eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis handelt, stellt die Rechtsprechung seit längerem darauf ab, ob der Erblasser dem Zuwendungsempfänger einen Vermögensvorteil verschaffen wollte – also, ob er ihn gegenüber den anderen Miterben begünstigen wollte (Begünstigungswille).
Will der Erblasser einem Miterben einen Vermögensvorteil zukommen lassen, dann liegt ein Vorausvermächtnis vor, wobei der Vermögensvorteil nicht notwendig in einer finanziellen Besserstellung liegen muss. Vielmehr genügt als Vermögensvorteil auch die Einräumung der Rechtsposition, einen Gegenstand zu einem entsprechenden Übernahmepreis zu erwerben. Ist ein solcher Begünstigungswille nicht zu ermitteln, dann ist grundsätzlich von einer Teilungsanordnung auszugehen.
Rz. 15
Diese grundlegende Unterscheidung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis anhand eines Vermögensvorteils und eines Begünstigungswillens ist jedoch nicht nur das einzige und alleinige Abgrenzungskriterium. So hat der BGH in seinem Urt. v. 7.12.1994 zum wiederholten Mal entschieden, dass der Erblasser grundsätzlich auch einen von der Erbeinsetzung unabhängigen Grund haben kann, einem Miterben einen bestimmten Gegenstand zuzuwenden. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Erbe den Erbteil ausschlägt, er nach dem Willen des Erblassers den Gegenstand aber dennoch erhalten soll.
Der BGH führt in seiner Entscheidung vom 7.12.1994 hierzu aus:
Zitat
"Daran ist richtig, dass die wertmäßige Begünstigung eines Miterben gegenüber den anderen für die Anordnung eines Vermächtnisses spricht. Fehlt es daran, wie hier, muss allein deshalb jedoch noch nicht notwendig eine Teilungsanordnung vorliegen und ein Vermächtnis ausgeschlossen sein. Vielmehr kann die Auslegung des Testaments unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ergeben, dass ein bestimmter Gegenstand einem Miterben etwa auch für den (bei Testamentserrichtung hypothetischen) Fall zugewendet werden soll, dass er das Erbe ausschlägt oder aus anderen Gründen nicht Erbe wird."
Die wertmäßige Begünstigung ist demnach, wie Skibbe anmerkt, "nur ein wichtiges Indiz, jedoch keine zwingende Voraussetzung" für die Auslegung einer Zuwendung als Vorausvermächtnis.