1. Einleitung
Rz. 55
Grundsätzlich ist der Widerruf der Vollmacht jederzeit möglich. Das Recht zum Widerruf geht auf den oder die Erben über, § 1922 BGB. Dies ist inzwischen allgemein anerkannt, was es aber nicht immer war. Umstritten waren besonders Sachverhalte, bei denen der Bevollmächtigte nach dem Erbfall eine Schenkung an sich selbst vornehmen wollte.
Anlässlich eines Falles, in dem es um den Vollzug einer Schenkung nach dem Tod des Erblassers ging, befasste sich der BGH mit der Frage, ob ein zugrunde liegender Auftrag und die damit verbundene Vollmacht von dem Erben widerrufen werden könne. Der BGH setzte sich mit der Literatur zu diesem Thema auseinander und bejahte das Widerrufsrecht des Erben. Aus Gründen der Rechtssicherheit müsse es hingenommen werden, wenn es "zu zufälligen Ergebnissen" komme, je nachdem, ob der Widerruf vor dem Vollzug erklärt wurde oder nicht.
2. Widerruf gegenüber Dritten
Rz. 56
Nach in der Kommentarliteratur vertretener Meinung hat jeder Miterbe das Recht zum Widerruf. Die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten für die anderen Miterben wird dadurch aber nicht berührt und bleibt daher bestehen. Eine wirksame Vertretung ist insoweit weiter möglich. Der Bevollmächtigte kann nach dem Widerruf eines Miterben folglich nicht mehr über einzelne Nachlassgegenstände verfügen. Er muss dann mit den entsprechenden Miterben zusammen handeln.
Rz. 57
Nach hier vertretener Ansicht muss die Vollmacht von der Erbengemeinschaft widerrufen werden, da es sich um eine Verwaltungsmaßnahme nach § 2038 BGB handelt. Bei Vollmachten für konkrete einzelne Geschäfte kommt es auf darauf an, ob der Vollmachtswiderruf eine Notverwaltungsmaßnahme ist. Bei General- und Vorsorgevollmachten liegt aufgrund deren Umfangs eine Notverwaltungsmaßnahme gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB vor, die ein einzelner Erbe vornehmen kann. Somit ergibt sich weitgehend kein von der anderen Ansicht abweichendes Ergebnis.
Die hier vertretene Meinung hat schon Eule formuliert und wurde von Madaus weiter unterstützt: Durch die Vollmacht wird nicht jeder Erbe direkt und einzeln verpflichtet, sondern der Nachlass. Da der Bevollmächtigte zur Verfügung allein über den Nachlass als "gesamthänderisches Sondervermögen der Miterben" berechtigt sei, komme eine Repräsentation der einzelnen Miterben nicht in Betracht. Mit diesem Argument kann das Widerrufsrecht jedes einzelnen Erben für sich nicht begründet werden.
Rz. 58
Die von der Kommentarliteratur aufgenommene andere Ansicht bezieht sich zum Teil auf ein Urteil des BGH vom 24.9.1959. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es allerdings nicht um eine vom Erblasser erteilte trans- oder postmortale Vollmacht. Miterben hatten einem von ihnen nach dem Erbfall Vollmachten erteilt. Dass dies jeweils Einzelvollmachten sind, ist schon aufgrund der auf den eigenen Erbanteil begrenzten Verfügungsmacht richtig.
Rz. 59
Bei der hier interessierenden Konstellation wird aber in der Vollmacht eine Ermächtigung des Erblassers fortgeführt. Dieser konnte nur den Nachlass und damit die Erbengemeinschaft insgesamt verpflichten. Die Entscheidung des BGH sagt nichts Gegenteiliges. Sie wird teilweise missverstanden, wenn sie auch auf transmortale Vollmachten bezogen wird. Eine Aussage zu solchen enthält das Urteil aber nicht.
Rz. 60
Es bleibt eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1925. Dort wird ausgeführt, dass der Miterbe entscheiden können müsse, ob er selbst verwaltend mitwirken oder sich vertreten lassen wolle. Dagegen bringen Eule und Madaus zutreffend vor, dass der Bevollmächtigte seine Rechtsposition vom Erblasser erhielt. Seine Befugnis gilt nach dem Tod gegenüber der Erbengemeinschaft. Diese muss sie gegen sich gelten lassen – was allgemein anerkannt ist – und kann sie nur als solche widerrufen, "weil der Bevollmächtigte ja überhaupt nicht den einzelnen Erben, sondern die Erbengemeinschaft vertritt; denn nur diese ist Trägerin der vom Erblasser geknüpften Rechtsbeziehungen."
Rz. 61
Geht man von einer Widerrufsbefugnis der Erbengemeinschaft aus, ist die Einordnung eines Widerrufs zu prüfen. In Betracht kommen eine Verwaltungsmaßnahme nach § 2038 BGB und eine Verfügung nach § 2040 BGB (vgl. § 4 Rdn 69–114, 39–48).
Als Verwaltung werden alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen verstanden, die zur Wahrung des Nachlasses sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung laufender Verbindlichkeiten des Nachlasses erforderlich und geeignet sind. Durch eine Verfügung gem. § 2040 BGB soll auf einen Nachlassgegenstand unmittelbar eingewirkt werden, ihn etwa übertragen. Auch Erklärungen wie die Abtretung und die Kündigung werden insofern als Verfügungen angesehen.
Rz. 62
Dem würde entsprechen, die Vollmacht – hier besser: die Vertretungsmacht – nicht als Nachlassgegenstand anzusehen. Im Einzelfall kann der Widerruf eines Auftrages eine Verfügung sein, die auch die Vollmacht erlöschen lässt. Gegenstand der Verfügung i...