Dr. Gudrun Möller, Prof. Dr. Jürgen Damrau
1. Vertretung des Minderjährigen beim Erbteilserwerb
Rz. 67
Erwirbt ein minderjähriger Miterbe einen Erbteil von einem Miterben derselben Erbengemeinschaft, der er selbst auch angehört, können die Eltern ihr Kind vertreten.
Wenn aber ein anderes minderjähriges Kind oder ein Elternteil der Veräußerer des Erbteils ist, kann er und der andere Elternteil das Kind, das den Erbteil erwerben will, nicht vertreten; dem steht das Verbot des In-Sich-Geschäfts und das der Doppelvertretung (§ 181 BGB) entgegen. Es muss für jedes beteiligte minderjährige Kind ein Ergänzungspfleger gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt werden.
Ist der veräußernde Miterbe ein Elternteil des Kindes, das den Erbteil erwerben will, oder der Ehegatte eines vertretungsberechtigten Elternteils, können die Eltern des Kindes dieses nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB nicht vertreten. Es bedarf ebenfalls der Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB.
Erwirbt ein Minderjähriger einen Erbteil von einem Dritten, wird das Kind von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten.
2. Erfordernis gerichtlicher Genehmigung des Erwerbs eines Erbteils durch den Minderjährigen
Rz. 68
Das (dingliche) Erwerbsgeschäft (§ 2033 BGB) bedarf auf der Erwerberseite weder, wenn der Minderjährige durch seine Eltern vertreten wird, noch, wenn er durch einen Pfleger vertreten wird, der gerichtlichen Genehmigung, da §§ 1915, 1643, 1822 Nr. 1 BGB unanwendbar sind; § 1822 BGB erwähnt den Erwerb eines Erbanteils nicht. Der Erwerber, der Minderjährige, ist nicht der Veräußernde und damit nicht der verfügende Teil, und auch nicht der Teil, der sich zu einer Verfügung verpflichtet.
Rz. 69
Der schuldrechtliche Vertrag, der auf den entgeltlichen Erwerb eines Erbanteils gerichtet ist (§§ 2371 ff. BGB), z.B. der Erbschaftskauf, ist genehmigungsfrei, da der geschlossene Katalog der §§ 1812 ff., 1821 ff. BGB diesen Fall nicht erwähnt.
Der Kauf ist auch genehmigungsfrei, wenn zum Nachlass ein Grundstück gehört, dessen entgeltlicher Erwerb – für sich allein genommen – der Genehmigung nach § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB bedarf. Dies gilt sogar, wenn das Grundstück praktisch nur noch der einzige Gegenstand im Nachlass ist, weil der gesamte restliche Nachlass bereits aufgeteilt ist. Nichts anderes gilt für das dingliche Vollzugsgeschäft gemäß § 2033 BGB, wenn sich ein Grundstück im Nachlass befindet. Es handelt sich rechtlich um den Erwerb eines Erbanteils, nicht um den eines Grundstücks, wie auch das formelle Recht beweist: Es erfolgt keine Auflassung, sondern eine Berichtigung des Grundbuchs wegen des Wechsels der vermögensmäßigen Beteiligung am Nachlass durch den Erbteilserwerber. Die auch hier vorhandene Gegenmeinung achtet zu gering, dass heute der Grundsatz der formalen Auslegung für die §§ 1821, 1822 BGB gilt.
Rz. 70
Die vorstehende Beurteilung stützt sich zusätzlich insbesondere auf vergleichbare Fälle bei den anderen Gesamthandgemeinschaften, wie OHG und KG.
Beispiel
Die OHG, an der ein Minderjähriger beteiligt ist, veräußert ein Grundstück; eine gerichtliche Genehmigung nach § 1821 BGB kommt nicht in Betracht.
Rz. 71
Im Widerspruch dazu steht allerdings eine Ansicht, die den Erwerb eines Erbteils durch einen Minderjährigen als genehmigungsbedürftig nach §§ 1643, 1915, 1822 Nr. 3 BGB ansieht, wenn zum Nachlass ein Erwerbsgeschäft gehört. Dieser Ansicht ist deshalb nicht zu folgen, weil Gegenstand des Erwerbs nicht das Erwerbsgeschäft oder ein Teil davon ist, sondern der Erbteil. Auch zeigt der Vergleich mit dem Nachlass-Grundstück (siehe Rdn 70), dass diese Ansicht unlogisch ist: Man kann nicht bei einem Grundstück im Nachlass die Anwendbarkeit von §§ 1821, 1822 BGB verneinen und bei einem Erwerbsgeschäft im Nachlass die §§ 1821, 1822 BGB anwenden. Vor allen Dingen aber ist die hier abgelehnte Ansicht auch überholt. Es ist heute anerkannt, dass §§ 1821, 1822 BGB formal auszulegen sind, und dass eine Analogie nicht statthaft ist. Die danach veraltete Rechtsprechung zum Erwerbsgeschäft erklärt sich aus der allzu weiten Auslegung der §§ 1821, 1822 BGB mit dem Ziel des Schutzes des Minderjährigen.
Rz. 72
Wer einen Erbteil erwirbt, erwirbt notgedrungen (nach außen, den Nachlassgläubigern haftend) auch die Nachlassverbindlichkeiten (§ 2382 BGB). Beim Erwerb von Verbindlichkeiten durch einen Minderjährigen muss ein Genehmigungserfordernis nach § 1822 Nr. 10 BGB beachtet werden. Dennoch bedürfen Eltern wie Pfleger in den hier relevanten Fällen nicht der gerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 10 BGB, denn die Nachlassschulden sind mangels Erfüllungsübernahme als zur Erbschaft gehörig anzusehen und sind damit eigene Schulden des Minderjährigen, auf die § 1822 Nr. 10 BGB nicht anwendbar ist.