Dr. Gudrun Möller, Prof. Dr. Jürgen Damrau
Rz. 77
Die persönliche Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft, also die Entfernung eines Miterben aus der Gemeinschaft, wird entweder durch Verkauf des Erbteils des ausscheidenden Miterben an andere Miterben (siehe Rdn 65 ff., 73 ff.) oder – neuerdings – auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH, durch formlosen Abschichtungsvertrag des ausscheidenden, des abzuschichtenden Miterben mit allen andere Miterben vorgenommen. § 738 Abs. 1 S. 1 BGB ist analog anwendbar. Die praktische Anerkennung besteht trotz einiger zweifelhafter Punkte.
Minderjährige Miterben können diejenigen sein, die in der Erbengemeinschaft verbleiben. Ein Minderjähriger kann aber auch derjenige sein, der abgeschichtet wird, der also aus der Erbengemeinschaft ausscheidet.
1. Der Abschichtungsvertrag, seine Durchführung, seine Folgen
Rz. 78
Es gibt ein Grundgeschäft zwischen dem ausscheidungswilligen Miterben einerseits und den in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben andererseits. Der Ausscheidende verspricht, sofort oder zu einem bestimmten Zeitpunkt oder nach Leistung einer Abfindung auszuscheiden; die verbleibenden Miterben versprechen, eine Abfindungsleistung aus dem Nachlass oder aus ihrem Privatvermögen zu leisten. Erforderlich ist die Zustimmung aller Miterben. Dieser Vertrag ist nach der Interessenlage ein gegenseitiger Vertrag: Es stehen sich der abzuschichtende Miterbe auf der einen Seite und die in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben auf der anderen Seite gegenüber. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der BGH von einer "formfrei zugelassenen vertraglichen Erbauseinandersetzung" spricht.
Rz. 79
Der Vollzug des Grundgeschäfts geschieht einerseits durch Leistung der Abfindung an den Abgeschichteten, also z.B. die Übereignung eines Gemäldes. Die zum Vollzug der versprochenen Leistung erforderlichen Erklärungen (hier: Übereignungserklärungen gem. §§ 929 ff. BGB) erbringt jeder einzelne verbleibende Miterbe an den Ausscheidenden. Es handelt sich also um parallele Erklärungen der Miterben, im Beispiel nach § 929 BGB, gerichtet auf Übertragung des Gesamthandeigentums am Nachlass-Gemälde auf den ausscheidenden Miterben. Dass es sich um gesamthänderisch gebundenes gemeinschaftliches Eigentum handelt, macht die Erklärungen weder zu einer einheitlichen Erklärung der Gemeinschaft, noch gibt es deshalb irgendwelche Willenserklärungen der abschichtenden Miterben untereinander. Es bedarf nicht einmal rechtlich bindender stillschweigender Einigungen untereinander. Diese Erklärungen werden in Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Grundvertrag vorgenommen.
Das (vermögensmäßige) Ausscheiden des Miterben aus der Erbengemeinschaft geschieht nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB analog kraft Gesetzes zu dem von den Beteiligten festgesetzten Termin. Es bedarf also insoweit keines Vollzugsgeschäfts.
Rz. 80
Es handelt sich beim Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft um eine gesetzliche Folge der Erklärung, auszuscheiden, also um keine rechtsgeschäftliche Übertragung des Erbteils, so dass § 2033 BGB nicht anwendbar ist. Kraft Gesetzes wächst die Beteiligung des Ausscheidenden am Nachlass den verbleibenden Miterben an. Die Folge des vermögensmäßigen Ausscheidens aus der Erbengemeinschaft durch den Abgeschichteten ist, dass alle Nachlassgegenstände nun einer kleiner gewordenen Zahl der Beteiligten Miterben gehören. Z.B. bei den zum Nachlass gehörenden Grundstücken wächst den verbleibenden Miterben der Anteil des Abgeschichteten am Grundstück kraft Gesetzes analog § 738 BGB zu. Es löst das Versprechen auszuscheiden, also die gesetzliche Anwachsung zugunsten der verbleibenden Miterben in die Wege zu leiten, nach der Rechtsprechung des BGH auch keine Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 BGB für das Grundgeschäft aus. Das Grundbuch ist entsprechend zu berichtigen; Grundlage dafür ist eine beglaubigte Berichtigungsbewilligung.
2. Ausscheiden eines Miterben; Verbleib des Minderjährigen in der Erbengemeinschaft
Rz. 81
Die Willenserklärungen der in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben richten sich an den Abzuschichtenden, nicht wie bei einer normalen Erbauseinandersetzung gegeneinander, also eines jeden Miterben gegen alle anderen Miterben. Es handelt sich daher aus der Sicht der verbleibenden Miterben um parallel gerichtete Willenserklärungen gegenüber dem Abzuschichtenden. Auf solche gleichgerichteten Willenserklärungen werden die §§ 1629 Abs. 2, 1795, 181 BGB nicht angewandt; es bedarf also für den Abschluss des Grundgeschäfts keiner Bestellung eines Ergänzungspflegers für den minderjährigen Miterben (§ 1909 BGB), auch wenn noch andere minderjährige Kinder oder auch neben diesen ein Elternteil auf...