Ralf Mangold, Walter Krug
I. Grundsatz
Rz. 65
Gegenstand der Verfügung ist der einzelne Nachlassgegenstand, nicht etwa der Erbteil. Es gilt der Grundsatz, dass alle Miterben gemeinsam handeln müssen (§ 2040 Abs. 1 BGB).
II. Begriff
Rz. 66
Verfügung ist jedes Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar übertragen, belastet, geändert oder aufgehoben wird. Die Rechtsprechung versteht darunter auch die Ausübung von Gestaltungsrechten, wie Anfechtung nach § 119 BGB, Kündigung einer Forderung und Kündigung eines Pachtverhältnisses. In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass auch Kündigung und Rücktritt darunter fallen.
BGH-Rechtsprechung zur Kündigung eines Mietverhältnisses: Die Kündigung eines Mietverhältnisses sei zwar eine Verfügung über dieses Rechtsverhältnis, die Erben könnten aber ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses darstellt. Dieser Rechtsprechung haben sich das OLG Frankfurt bei Kündigung eines Darlehensverhältnisses und das OLG Brandenburg bei Kündigung eines Bankvertrages angeschlossen.
Im Zusammenhang mit dem Nacherbenschutz sind zur Kündigung eines Mietverhältnisses im Rahmen der Vorerbenverwaltung weitere BGH-Urteile ergangen.
III. Gesetzliches Vertretungsrecht
Rz. 67
Der Wortlaut des § 2040 Abs. 1 BGB mit seinem Erfordernis der ausschließlichen Einstimmigkeit könnte einen Widerspruch zu § 2038 BGB mit seinen drei Abstufungen vermuten lassen. Bestünde zwischen § 2040 BGB und § 2038 BGB tatsächlich ein Widerspruch, so würde § 2038 BGB in den Fällen der ordnungsmäßigen Verwaltung und der Notverwaltung leerlaufen, wenn die betreffende Verwaltungsmaßnahme gleichzeitig eine Verfügung beinhalten würde. Zumindest bei der Notverwaltungsmaßnahme muss der Handelnde für die anderen Miterben verfügen können, weil die Notgeschäftsführung anders nicht praktiziert werden könnte. Der handelnde Miterbe hat ein gesetzliches Vertretungsrecht für die anderen (arg. aus § 2038 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB).
OLG Schleswig:
Zitat
"Stellt sich die Kündigung eines Darlehens gegenüber einem Miterben als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung dar, bedarf es dafür nicht der Einstimmigkeitsvoraussetzung des § 2040 BGB. Sie kann vielmehr nach den §§ 2038 Abs. 2, 745 BGB mit Stimmenmehrheit der Erbengemeinschaft beschlossen werden."
Rz. 68
Bei der ordnungsmäßigen Verwaltung verlangt der BGH wohl noch immer Einstimmigkeit bei der Verfügungshandlung, obwohl er sich entgegen seiner früheren Rechtsprechung jetzt der neueren Literatur angenähert haben dürfte, die keine Einstimmigkeit mehr für die Verfügung vorsieht. Der BGH hat im Urt. v. 28.4.2006 einen Mittelweg gefunden, indem er die Miterbenmehrheit Verfügungen über Nachlassgegenstände vornehmen lässt, sofern dadurch die berechtigten Interessen der anderen Miterben nicht beeinträchtigt werden. Einen völligen Gleichlauf zwischen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Miterben hat der BGH allerdings noch nicht angenommen. Die Literatur ist der Ansicht, dass ein Mehrheitsbeschluss für das Verfügungsrecht der handelnden Miterben genügen muss, weil andernfalls die Mehrheitsregelung des § 2038 Abs. 1 BGB leer liefe. Nach der älteren Rechtsprechung des BGH sollten die nicht zustimmenden Miterben in jedem Fall auf Zustimmung verklagt werden müssen.
IV. Die Aufrechnung mit einer Nachlassforderung als Verfügungshandlung
Rz. 69
Eine Aufrechnung mit einer zum Nachlass gehörenden Forderung stellt sich als eine Verfügung über einen Nachlassgegenstand dar, die nach § 2040 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur von allen Miterben gemeinsam getroffen werden kann. Deshalb kann ein Miterbe nicht mit einer Forderung des Erblassers gegen einen nur gegen ihn persönlich gerichteten Anspruch aufrechnen, vgl. § 2040 Abs. 2 BGB. Dem Miterben steht in einem solchen Fall auch kein Leistungsverweigerungsrecht analog § 770 Abs. 1 BGB, § 129 Abs. 3 HGB zu.
Grundsätzlich könnte dem einzelnen Miterben gem. § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zustehen, wenn die Aufrechnung scheitert. Zwar setzt § 273 BGB nach seinem Wortlaut ebenfalls voraus, dass der zurückhaltende Schuldner selbst zugleich Glä...