Ralf Mangold, Walter Krug
Rz. 366
Die Teilungsanordnung entfaltet ihre Wirkung erst bei der Nachlassteilung. Das Vermächtnis hingegen ist Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 Abs. 2 BGB) und ist deshalb vor der Teilung zu erfüllen (§ 2046 BGB). Im Einzelfall kann es schwierig sein, festzustellen, ob die Anordnung des Erblassers den Charakter einer Teilungsanordnung oder eines Vorausvermächtnisses nach § 2150 BGB hat.
Rz. 367
Hat der Erblasser keine insoweit eindeutige Erklärung abgegeben, so ist der Wille durch Auslegung zu ermitteln. Während die Teilungsanordnung den Erbteil quasi konkretisiert, wird das Vorausvermächtnis zusätzlich zum Erbteil gewährt. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH handelt es sich um eine Teilungsanordnung, wenn die Höhe des Erbteils durch die Besonderheit der Auseinandersetzung nicht verändert werden soll. Ein etwaiger höherer Wert des zugeteilten Nachlassgegenstandes als dem Auseinandersetzungsguthaben entspräche, ist unter den Erben auszugleichen.
Rz. 368
Soll dagegen dem betreffenden Miterben ein nicht ausgleichungspflichtiger Mehrwert in Form eines besonderen Vermögensvorteils zufließen, so liegt ein Vorausvermächtnis vor. Der BGH stellt darauf ab, ob der Erblasser dem Begünstigten einen Vermögensvorteil verschaffen wollte, ob er ihn also gegenüber den anderen Miterben begünstigen wollte – Stichwort: Begünstigungswille. Oder – anders ausgedrückt:
Rz. 369
Zitat
"Eine vom Erblasser in letztwilliger Verfügung getroffene Anordnung für die Auseinandersetzung unter den Miterben stellt dann eine Teilungsanordnung dar, wenn er die zuvor festgelegten Erbquoten durch seine Verfügung nicht verschieben, sondern unangetastet lassen wollte."
Eine Teilungsanordnung – mit der Folge, dass der die Erbquote übersteigende Wert ausgeglichen werden muss – liegt auch dann vor, wenn dem Bedachten objektiv ein zusätzlicher Vermögensvorteil zugewendet worden ist, ohne dass der Erblasser ihn gegenüber den Miterben bevorzugen wollte. Ob eine solche Bevorzugung nicht gewollt war, ist im Wege der Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln.“
Rz. 370
Die wesentliche Unterscheidung nach Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis anhand eines Vermögensvorteils und eines Begünstigungswillens ist aber nicht das einzige Abgrenzungskriterium. Im Urt. v. 7.12.1994 hat der BGH klargestellt, dass der Erblasser grundsätzlich auch einen von der Erbeinsetzung unabhängigen Grund haben kann, einem Miterben einen bestimmten Gegenstand zuzuwenden. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn der Erbe seinen Erbteil ausschlägt, er nach dem Willen des Erblassers den Gegenstand aber dennoch erhalten soll. Die wertmäßige Begünstigung ist demnach nur ein wichtiges Indiz, nicht aber zwingende Voraussetzung für die Auslegung als Vorausvermächtnis.
Wenn der testamentarisch Begünstigte die Zuwendung auch dann erhalten soll, wenn er nicht Erbe wird, kann allein dies für ein Vorausvermächtnis sprechen.
Rz. 371
Das Vorausvermächtnis hat für den Berechtigten den großen Vorteil, dass er nicht bis zur Erbteilung mit der Erfüllung seines Vermächtnisses zuzuwarten braucht. Vielmehr handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 BGB, die im Zweifel sofort fällig ist, § 271 BGB. Nach § 2046 BGB sind alle Nachlassverbindlichkeiten vor der Erbteilung zu erfüllen. Die anderen Miterben sind verpflichtet, bei der Erfüllung des Vermächtnisses mitzuwirken.
Rz. 372
Der Miterbe kann nach Annahme der Erbschaft die Übernahme des ihm durch Teilungsanordnung zugedachten Gegenstandes grundsätzlich nicht verweigern. Demgegenüber kann ein Vorausvermächtnis ohne weiteres ausgeschlagen werden. Bei Ausschlagung der Erbschaft wird die mit einem Erbteil verbundene Teilungsanordnung eo ipso gegenstandslos, nicht dagegen ein Vorausvermächtnis, das grundsätzlich – soweit der Erblasser nichts anderes angeordnet hat – unabhängig vom Erbteil weiter besteht.
Rz. 373
Ist eine Teilungsanordnung im gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag enthalten, so ist sie jederzeit widerruflich, weil sie nicht bindend angeordnet werden kann. Anders dagegen das Vorausvermächtnis: Es kann mit Bindungswirkung angeordnet werden. Im Falle erbvertraglicher Anordnung genießt der durch Vorausvermächtnis Bedachte schon vor dem Erbfall den Schutz des § 2288 BGB gegen eine beeinträchtigende Verfügung unter Lebenden.
Rz. 374
Legt der Erblasser für einen Nachlassgegenstand (häufig Grundstück) einen Übernahmepreis (in der Auseinandersetzung anzurechnender Betrag) fest, so ist zu differenzieren:
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Ist der objektive Wert höher als der Übernahmepreis, so liegt in Höhe der Differenz ein Vorausvermächtnis für den begünstigten Miterben vor. |
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Ist der objektive Wert niedriger als der Übernahmepreis, so ist ein Vorausvermächtnis zugunsten der anderen, nicht übernahmeberechtigten Miterben angeordnet. |
Weiterhin ist umstritten, ob dem von einer Teilungsanordnung Begünstigten die Nutzungen bzw. Früchte ab dem Zeitpunkt zustehen, ab dem er die Durchführung der Teilungsanordnung verlangen könnte. In ...