Ralf Mangold, Walter Krug
I. Zweck
1. Werterhaltung der Sachgesamtheit Nachlass
Rz. 70
Nachlässe in gesamthänderischer Bindung einer Erbengemeinschaft werden oft jahrzehntelang von den Miterben verwaltet. Diese Gesamthand, die kraft Gesetzes als "Zufallsgemeinschaft" entstanden ist, rechtsgeschäftlich aber weder begründet noch erweitert werden kann, muss als Sondervermögen und als Verwaltungseinheit sowohl den Erben als auch den Nachlassgläubigern im Wert erhalten bleiben.
Ergreifen die Erben Haftungsbeschränkungsmaßnahmen, so steht den Nachlassgläubigern als Zugriffsobjekt nur der Nachlass zur Verfügung, nicht auch das jeweilige Eigenvermögen der Erben.
Rz. 71
Im Interesse der Erben und der Nachlassgläubiger sichert die in § 2041 S. 1 BGB angeordnete dingliche Surrogation die Erhaltung des Sondervermögens Nachlass in seinem wirtschaftlichen Wert bis zur Auseinandersetzung. Unabhängig von der Willensrichtung des für den Nachlass Handelnden sollen bestimmte Erwerbsvorgänge dem Nachlass zugeordnet werden. Das Prinzip der dinglichen Surrogation stellt den Ausgleich dafür dar, dass der Nachlass kein werbendes Vermögen ist, also grundsätzlich keine neuen Vermögensgegenstände für den Nachlass in gesamthänderischer Bindung der Erbengemeinschaft erworben werden können. Dann sollen wenigstens die an die Stelle ursprünglich vorhandener Gegenstände tretenden neuen Gegenstände zum Sondervermögen gehören, um die Vermögensgesamtheit Nachlass zu erhalten. Von besonderer Bedeutung ist die dingliche Surrogation bei der Fortführung eines Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft.
2. Fortbestand der Verwaltungseinheit
Rz. 72
Die dingliche Surrogation dient aber auch der Erhaltung der Verwaltungseinheit und Verwaltungszuständigkeit. Eine vernünftige und sachgemäße Verwaltung von Vermögen macht Rechtshandlungen wie die Einziehung von Forderungen, die Veräußerung von Sachen und die Anschaffung neuer Stücke unvermeidbar. Würden die infolge der Verwaltungsmaßnahmen vorhandenen Ersatzgegenstände nicht aufgrund dinglicher Surrogation wieder unmittelbar in die Verwaltungszuständigkeit des Sondervermögens fallen, so bestünde die Gefahr, dass die Verwaltungshandlungen letztlich von selbst das Vermögen als Verwaltungseinheit aushöhlen und aufheben würden.
II. Die drei Surrogationsarten des § 2041 BGB
Rz. 73
In § 2041 BGB sind drei Arten der dinglichen Surrogation normiert:
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die Rechtssurrogation, |
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die Ersatzsurrogation und |
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die Beziehungs- bzw. Mittelsurrogation. |
1. Die Rechtssurrogation
Rz. 74
Alles, was aufgrund eines zum Nachlass gehörenden Rechts erworben wird, gehört zum Nachlass. Wird eine zum Nachlass gehörende Forderung erfüllt, so fällt das Geleistete in den Nachlass, bspw. der Mietzins für eine zum Nachlass gehörende vermietete Sache. Dazu gehören auch die Früchte eines Rechts (§ 99 Abs. 2 BGB). Ebenso Ansprüche, die als Folge der Ausübung eines Gestaltungsrechts (Anfechtung, Rücktritt, Kündigung) entstehen. Auch Ansprüche nach § 985 BGB gehören hierher.
Zwei Beispiele
(1) Gehört zum Nachlass ein Geschäftsanteil an einer GmbH, so fällt bei einer Kapitalerhöhung die bei der Erhöhung neu entstehende und auf die Erben entfallende Stammeinlage in den Nachlass, weil allen Gesellschaftern ein Übernahmerecht im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung zusteht (§ 55 Abs. 2 GmbHG). Nach der Meinung des OLG Hamm tritt diese Rechtsfolge nicht kraft einer Beziehungssurrogation, sondern aufgrund der Rechtssurrogation ein.
(2) Rückabwicklung eines Nachlassauseinandersetzungsvertrags: Beim Rücktritt vom oder Anfechtung des Nachlassauseinandersetzungsvertrags gehört der Rückgewähranspruch (§ 346 S. 1 BGB a.F. und § 346 Abs. 1 BGB n.F. bzw. § 812 Abs. 1 BGB) zum Nachlass, so dass an den auseinandergesetzten Nachlassgegenständen wieder Gesamthandseigentum in Erbengemeinschaft entsteht, das erneut auseinanderzusetzen ist.
Gleichgültig ist, ob die originären Rechtspositionen dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht entspringen. Wurden noch zu Lebzeiten des Erblassers Ansprüche nach dem Vermögensgesetz begründet, so gehören die entsprechenden Leistungen zum Nachlass, und zwar kraft der Rechtssurrogation.
2. Die Ersatzsurrogation
Rz. 75
Was als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlassgegenstandes anzusehen ist, fällt in den Nachlass; also alle Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung oder wegen Vertragsverletzung. Auch Versicherungsansprüche über Nachlassgegenstände werden von der Ersatzsurrogation erfasst.
3. Die Beziehungssurrogation
Rz. 76
Der Erwerb aus einem – schuldrechtlichen oder dinglichen – Rechtsgeschäft, das sich auf den Nachlass bezieht, fällt in den Nachlass. Jeder Erwerb mit Mitteln des Nachlasses oder für den Nachlass fällt darunter. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein einzeln handelnder Miterbe zur Vornahme des Rechtsgeschäfts befugt war. Fraglich ist, ob eine rein objektive Beziehung zum Nachlass ausreicht, oder ob zusätzlich ein entsprechender Wille des Handelnden erforderlich ist. Die Beantwortung dieser Frage ist abhängig davon, woher die eingesetzten Mittel stammen.
a) Erwerb mit Nachlassmitteln
Rz. 77
Wird das Rechtsgeschäft mit Mitteln des Nachlasses vorgenommen, so reicht eine objektive Beziehu...