Ralf Mangold, Walter Krug
I. Einzelkaufmännisches Handelsgeschäft im Nachlass
Rz. 132
Hat der Erblasser als Einzelkaufmann ein Handelsgeschäft betrieben, so fällt es als wirtschaftliche Einheit in den Nachlass. Nach § 22 Abs. 1 HGB können die Erben dieses Geschäft fortführen, ohne dass mit dessen Fortführung durch mehrere Erben notwendig ein gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluss der Miterben verbunden wäre. Selbst eine Erbengemeinschaft, die nur aus Vorerben besteht, kann das Handelsgeschäft als Erbengemeinschaft fortführen, nicht aber eine Gemeinschaft, die nur aus Erbteilserwerbern besteht.
Rz. 133
Eine Sondererbfolge wie bei OHG und KG findet beim einzelkaufmännischen Handelsgeschäft nicht statt. Das zum Nachlass gehörende Handelsgeschäft kann von den Erben ohne zeitliche Begrenzung in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt werden (Fälle aus der BGH-Rechtsprechung: Fortführung 17 bzw. 6 Jahre).
Rz. 134
Nach § 31 Abs. 1 HGB sind die Miterben in das Handelsregister einzutragen, und zwar in Erbengemeinschaft.
Im Schrifttum wird – im Gegensatz zur BGH-Rechtsprechung – teilweise die Meinung vertreten, die gemeinschaftliche Fortführung des Handelsgeschäfts über die dreimonatige Frist des § 27 Abs. 2 HGB hinaus habe eine Zwangsumwandlung der Erbengemeinschaft in eine OHG in Bezug auf das Handelsgeschäft zur Folge. Aber das geltende Recht kennt einen solchen Umwandlungszwang aus einer Erbengemeinschaft in eine OHG nicht. Denn dafür wäre der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags erforderlich.
Rz. 135
Daraus folgt: Die Fortführung des Handelsgeschäfts ist Verwaltung i.S.v. § 2038 BGB und unterliegt deshalb denselben Regelungen wie die Verwaltung des sonstigen Nachlasses nach §§ 2038, 743 ff. BGB. Problematisch ist, dass jeder Miterbe nach § 27 HGB haftet, wenn er der Fortführung des Geschäfts ausdrücklich oder konkludent zustimmt. Will er dies vermeiden, so muss er die Erbschaft ausschlagen oder die Auseinandersetzung betreiben. Eine einseitige Haftungsbegrenzungserklärung für den Miterben, entsprechend § 25 Abs. 1 HGB, kommt nicht in Betracht, da er dafür einen Beschluss der Erbengemeinschaft benötigt. Aus rein faktischen Gründen sind die Miterben deshalb nicht selten gezwungen, das Unternehmen weiterzuführen. Damit haften sie für Alt- und Neuverbindlichkeiten.
Rz. 136
Im Innenverhältnis können auf die zwischen den Miterben bestehenden Rechtsbeziehungen die Grundsätze der OHG anwendbar sein, wenn das Unternehmen längere Zeit als werbende Gesellschaft fortgeführt wird.
Rz. 137
Die Fragen der Vertretung bei Geschäftsfortführung sind wegen der gesamthänderischen Handlungsweise der Miterben unbefriedigend gelöst.
Rz. 138
Ein von den Miterben bestellter Vertreter kann immer nur die Miterben als solche, nicht aber die Erbengemeinschaft (wegen ihrer mangelnden Rechtsfähigkeit) vertreten. Die von den Miterben erteilte Vollmacht stellt demnach keine einheitliche Bevollmächtigung der Erbengemeinschaft dar, sondern ist eine Mehrzahl von Einzelvollmachten. Deshalb muss eine Prokura auch von sämtlichen Miterben erteilt werden. Dies hat zur Folge, dass auch der Widerruf der Prokura von den Miterben gemeinsam erfolgt, denn nach § 48 Abs. 2 HGB ist die Prokura vom "Inhaber des Handelsgeschäfts" zu erteilen, und das sind alle Erben.
Rz. 139
Die nach Erbrecht beschränkbare Haftung der Erben auf den Nachlass kann für das Handelsrecht nicht ohne weiteres gelten.
Rz. 140
Nach §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 1 HGB haften die Erben unbeschränkt für alle vom Erblasser in seinem Unternehmen begründeten Verbindlichkeiten, wenn die Erben das Geschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines Nachfolgezusatzes fortführen. Das bedeutet: Die nach dem BGB vorgesehenen Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung für die Erben bleiben wirkungslos.
Rz. 141
Voraussetzung für diese Haftungsverschärfung ist jedoch die Eintragung des Kaufmanns in das Handelsregister (§ 5 HGB), weil § 25 Abs. 1 HGB die Fortführung eines Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma voraussetzt. Dies gilt für die bereits bestehenden Geschäftsverbindlichkeiten.
Rz. 142
Schulden, die nach dem Erbfall im Zusammenhang mit der Fortführung des Handelsgeschäfts begründet werden, sind Nachlasserbenschulden, wenn ihre Eingehung zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses gehört (§ 2038 Abs. 1 BGB).
Rz. 143
Der Gläubiger erlangt damit eine doppelte Haftungsgrundlage: Die Verbindlichkeiten erfassen zum einen den Nachlass, zum anderen das Eigenvermögen der Miterben.
Rz. 144
Beteiligung Minderjähriger an der Erbengemeinschaft: Eltern können über ihr Vertretungsrecht aus § 1629 Abs. 1 BGB ihre minderjährigen Kinder unbegrenzt verpflichten. Bei der Fortführung eines Handelsgeschäfts durch die Miterben in Erbengemeinschaft unter Beteiligung Minderjähriger würden diese aus den Geschäftsverbindlichkeiten, die ihre gesetzlichen Vertreter für sie eingehen, mitverpflichtet. So hat auch der BGH entschieden.