Rz. 416

Mit dem Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969, in Kraft getreten am 1.7.1970, wurde in den alten Bundesländern die erste Stufe des gesetzlichen Erbrechts nichtehelicher Kinder an ihrem Vater und den väterlichen Verwandten eingeführt. Bis zum 30.6.1970 arbeitete das Gesetz mit einer Fiktion und erklärte nichteheliches Kind und Vater schlicht als "nicht verwandt" (so § 1589 Abs. 2 BGB in der bis 30.6.1970 geltenden Fassung). Die Neuregelung gestand in den meisten Fällen aber dem nichtehelichen Kind keine dingliche Beteiligung am Nachlass des Vaters zu, sondern machte es zum Gläubiger einer Geldforderung gegen die Erben in Höhe des Werts des Anteils, den das Kind erhalten hätte, wenn es am Nachlass dinglich beteiligt gewesen wäre – ein "Erbersatzanspruch".

 

Rz. 417

Mit dieser ersten Stufe der gesetzlichen Erbberechtigung nichtehelicher Kinder am Vater wollte man gleichzeitig wenigstens ansatzweise ein uraltes Problem des Erbteilungsrechts lösen: Die Abgeltung erbrachter Leistungen einzelner Abkömmlinge für den Erblasser. Gerade in landwirtschaftlichen und handwerksgeprägten Verhältnissen kam es immer wieder in der Erbteilung zu unguten Situationen, wenn ein einzelnes Kind im Betrieb des Vaters ohne angemessene Entlohnung und häufig auch unter Verzicht auf eine eigene angemessene Altersversorgung mitgearbeitet hatte. Die wichtigsten Gerichtsentscheidungen zu dieser Problematik sind deshalb auch nicht zufälligerweise zu Sachverhalten mit landwirtschaftlichem Hintergrund ergangen.[456]

 

Rz. 418

Da die Neigung zur testamentarischen Nachfolgegestaltung nach wie vor gering ist, findet in den meisten Erbfällen gesetzliche Erbfolge statt, und damit eine gleichmäßige Beteiligung aller Kinder am Nachlass. In den Fällen, in denen ein Kind besondere Leistungen für den Erblasser erbracht und damit dessen Vermögen gemehrt oder erhalten hatte, blieben diese Leistungen in der Erbteilung im Grundsatz unberücksichtigt, sofern nicht über Ersatzkonstruktionen außerhalb des Erbrechts angemessene Lösungen gefunden werden konnten.

 

Rz. 419

Diese missliche Situation im Einzelfall hat sogar dazu geführt, dass der BGH in drei Fällen, nämlich in den Beschlüssen vom 16.2.1954,[457] vom 5.2.1957[458] und vom 10.12.1957,[459] im landwirtschaftlichen Höferecht dieses jahrzehntelange Versprechen, das mitarbeitende Kind werde nach dem Tode der Eltern den Hof erhalten, als formlosen Erbvertrag zugunsten des mitarbeitenden Kindes gewertet hat. In einem ähnlich gelagerten Fall hat das LG Itzehoe im Urt. v. 15.8.1977[460] einen formlosen Hofübergabevertrag angenommen.

 

Rz. 420

Als nun die nichtehelichen Kinder in den Kreis der am Nachlass Berechtigten einbezogen wurden, wollte man für vermögenserhaltende oder -mehrende Leistungen einzelner Abkömmlinge wenigstens eine Besserstellung Letzterer in der Erbteilung ermöglichen.

 

Hinweis

Inzwischen sind nichteheliche Kinder den ehelichen Kindern annähernd gleichgestellt. Allenfalls versagt das deutsche Recht allen vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kindern erbrechtliche Ansprüche nach ihrem Vater, wenn sich der Erbfall vor dem 29.5.2009 ereignet hat.[461]

Dabei ging man von dem Regelfall aus, dass in den weitaus meisten Fällen nicht das nichteheliche Kind dem Vater Leistungen erbringt, weil es nicht im Familienverband des Vaters, sondern in dem der Mutter aufwächst; zumindest war dies im Jahr 1969 bei Verkündung des NEhelG so.

 

Rz. 421

So entstand die Idee der Ausgleichung "mit umgekehrtem Vorzeichen", die dem leistenden Abkömmling in der Erbteilung einen höheren Anteil als den anderen am Nachlass des Vaters zukommen lässt; und bei Letzteren hatte man vor allem die nichtehelichen Kinder im Blick.[462]

 

Rz. 422

Hat ein Abkömmling für den Erblasser besondere Leistungen erbracht, bspw. durch Mitarbeit im elterlichen Haushalt oder durch Pflege des Erblassers, und wurden dadurch Aufwendungen erspart, so dass der Nachlass nicht oder weniger geschmälert wurde, so kann er von den Abkömmlingen, die mit ihm zusammen Erben werden, einen Ausgleich bei der Nachlassauseinandersetzung verlangen, sofern er kein – angemessenes – Entgelt dafür erhalten hat, § 2057a BGB.[463]

Auszugleichen sind besondere Leistungen eines Abkömmlings, die dazu beigetragen haben, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde.

Als besondere Leistungen können insbesondere gelten:

über längere Zeit zumindest teilunentgeltliche Mitarbeit in Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers,
Zahlung erheblicher Geldleistungen an den Erblasser oder zugunsten des Erblassers,
Pflegeleistungen zugunsten des Erblassers (unabhängig von einem eigenen Vermögensopfer),
sonstige in anderer Weise in besonderem Maße erbrachte Leistungen (z.B. Sachleistungen, Nutzungsüberlassungen, Bürgschaften etc.[464]).

Dauer und Umfang der Leistung einerseits und der Wert des Nachlasses andererseits sind für die Höhe des Ausgleichsbetrags entscheidend. Aber nach dem OLG Schleswig kann z.B. auch die besondere Bedeutung ...

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