Rz. 434

Haben gemeinschaftliche Abkömmlinge von ihren beiden Eltern ausgleichungspflichtige Zuwendungen erhalten und werden sie Schlusserben des überlebenden Elternteils, so sind auch die ausgleichungspflichtigen Zuwendungen des Erststerbenden auf den Tod des Überlebenden auszugleichen.[472]

Aber: Dieser erweiterte Erblasserbegriff gilt nur bei der Erbteilung, nicht auch im Pflichtteilsrecht, wo das Ausgleichungsrecht in § 2316 BGB seine Fortsetzung findet. Der Erblasser könnte andernfalls in das ius cogens des Pflichtteilsrechts eingreifen.[473]

 

Rz. 435

Zu dieser pflichtteilsrechtlichen Frage OLG Koblenz: Anrechnung lebzeitiger Zuwendungen beim Berliner Testament

Bei einem Berliner Testament entsteht mit jedem Erbfall der Anspruch des durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossenen Abkömmlings gegen den Erben auf Auszahlung des Pflichtteils. Jedes von seinen Eltern enterbte Kind hat danach zwei Pflichtteilsansprüche, je einen beim Tode jedes Elternteils. Auch bei Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments ist die Erbfolge der Elternteile deutlich auseinander zu halten. Jeder der beiden eintretenden Erbfälle löst für den Enterbten einen Pflichtteilsanspruch aus. Daran ändert auch die irrige Vorstellung der Eltern nichts, es gäbe nur einen die Kinder begünstigenden Erbfall. Demzufolge müssen sich die Kinder nicht den vollen Wert der von beiden Eltern übertragenen Anteile an Immobilien auf den Pflichtteil anrechnen lassen, sondern nur dasjenige, was allein von dem letztversterbenden Ehepartner zugewendet worden ist.[474]

 

Rz. 436

Beim Berliner Testament müssen sich die Kinder nicht den vollen Wert der von beiden Eltern übertragenen Anteile an Immobilien auf den Pflichtteil anrechnen lassen, sondern nur dasjenige, was allein von dem letztversterbenden Ehepartner zugewendet worden ist. Nach § 2317 Abs. 1 BGB entsteht mit jedem Erbfall der Anspruch des durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossenen Abkömmlings gegen den Erben auf Auszahlung des Pflichtteils.[475] Jedes von seinen Eltern enterbte Kind hat danach zwei Pflichtteilsansprüche, je einen beim Tode jedes Elternteils. Daran ändert sich nichts durch die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes. Auch dann sind die Erbfolge nach der Mutter und diejenige nach dem Vater deutlich auseinander zu halten. Auch das Berliner Testament regelt nach dem eindeutigen Wortlaut der §§ 2269, 2273 BGB nicht einen, sondern zwei Erbfälle. Der Tod des erstversterbenden Ehegatten hat zur Folge, dass sein Vermögen als Ganzes auf den überlebenden Ehegatten übergeht. Stirbt später dann der überlebende Ehegatte, so wird bei diesem zweiten Erbfall der im Berliner Testament als Schlusserbe eingesetzte Dritte in der Regel dessen Erbe. Jeder dieser beiden Erbfälle löst für den Enterbten, wie ausgeführt, einen Pflichtteilsanspruch aus.

[472] BGHZ 88, 102; OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2012 – 23 WLw 9/11, juris.
[475] BGHZ 88, 102; BGH WM 1982, 1254; Palandt/Weidlich, § 2303 Rn 1; Bamberger/Roth/Mayer, § 2315 Rn 3.

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