Ralf Mangold, Walter Krug
I. Begriff
Rz. 482
Unter der Abschichtung von Miterben versteht man eine teilweise Auseinandersetzung des Nachlasses in personeller Hinsicht. Sie kommt in der Praxis häufig vor. Der BGH hat diese Möglichkeit in seinen Urt. v. 21.1.1998 und 27.10.2004 sowie im Beschl. v. 30.9.2010 ausdrücklich anerkannt. Beachtliche Kritik an der BGH-Rechtsprechung übt Rieger, DNotZ 1999, 64 ff.
Der Abzuschichtende erhält einzelne Nachlassgegenstände übertragen, die dem Wert seines Anteils entsprechen. Bleiben sie unter diesem Wert, so zahlen die verbleibenden Erben einen Ausgleich. Damit beinhaltet diese Art der personellen Teilauseinandersetzung gleichzeitig eine gegenständliche Teilauseinandersetzung.
II. Abschichtung durch Erbteilsübertragung
Rz. 483
Das Ausscheiden des "weichenden" Miterben kann dadurch geschehen, dass er seinen Anteil den verbleibenden Erben nach § 2033 BGB überträgt. Auf diese Weise wächst sein Erbteil den anderen Miterben analog §§ 1935, 2094 BGB an. Die Erbengemeinschaft umfasst damit nur noch die verbleibenden Miterben. Die Übertragung des Erbteils nach § 2033 BGB ist der entschieden sicherere Weg.
Rz. 484
Dem steht allerdings die Meinung gegenüber, ein Ausscheiden eines Miterben könne auch ohne Erbteilsübertragung erfolgen; dies geschehe in der Weise, dass sich alle Erben über das Ausscheiden des Betroffenen einig sind und auf diesen Nachlassgegenstände übertragen. Das Kammergericht hat dies direkt dem Gesetz entnommen, heute wird dies mit einer Analogie aus dem Recht der BGB-Gesellschaft, dem § 738 BGB, entnommen.
Rz. 485
Die früher h.M. nahm allerdings an, der Abschichtungsvertrag unterliege im schuldrechtlichen Teil den Vorschriften der §§ 2385, 2371 BGB und müsse deshalb notariell beurkundet werden.
III. Abschichtung ohne Erbteilsübertragung
1. Verzicht eines Miterben auf seine erbrechtliche Beteiligung
Rz. 486
Die Abschichtung einzelner Miterben ohne Erbteilsübertragung ist in der Praxis sehr weit verbreitet. Sie wird von den Laien vermutlich schon seit Jahrzehnten praktiziert, ohne dass größere Schwierigkeiten bekannt geworden wären. Die Miterben einigen sich darauf, dass der Abzuschichtende mit dem Erhalt bestimmter Nachlassgegenstände aus der Erbengemeinschaft ausscheidet und diese unter den verbleibenden Miterben weiter besteht.
Der Verzicht eines einzelnen Miterben auf seine Erbenstellung wird von der Rechtsprechung neben der Veräußerung (§§ 2033, 2371 ff. BGB) als eigenständiges Rechtsinstitut angesehen.
Rz. 487
Der BGH hat in drei Entscheidungen die Möglichkeit einer Abschichtung ohne Erbteilsübertragung anerkannt: Urt. v. 21.1.1998, Urt. v. 27.10.2004, Beschl. v. 30.9.2010. Man kann deshalb inzwischen von einer gesicherten Rechtsprechung sprechen.
Zuvor hatten bereits das Kammergericht und der BFH die Abschichtung als Möglichkeit der Teilnachlassauseinandersetzung angesehen.
In der Literatur wird dies der "dritte Weg" der Erbauseinandersetzung (nach a. Erbteilungsvertrag und b. Übertragung von Erbteilen gem. § 2033 Abs. 1 BGB) genannt.
2. Formfreiheit der Abfindungsvereinbarung
Rz. 488
Der BGH betrachtet den Abschichtungsvertrag als formfrei mögliche Erbauseinandersetzung. Auch wenn Grundstücke im Nachlass verbleiben, ist der Abfindungsvertrag formfrei.
Die Frage der Form wird von § 2042 BGB her beurteilt. Für den Erbteilungsvertrag ist eine Form nicht vorgesehen, es sei denn, die Vereinbarung würde eine Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder eines GmbH-Anteils enthalten. In einem solchen Fall ist notarielle Beurkundung gem. § 311b Abs. 1 BGB bzw. § 15 GmbHG erforderlich.
Rz. 489
Verzicht auf den Erbteil: Der BGH spricht von einem "Aufgeben des Erbteils", einem Verzicht auf das Recht am Nachlass. Hier setzt vor allem die rechtsdogmatische Kritik an, weil das Gesetz einen solchen Verzicht nicht kenne.
Der Erbteil wird nicht auf bestimmte Rechtsnachfolger übertragen, im Gegensatz zur Erbteilsübertragung.
Rz. 490
Häufig wird es sich bei der Abschichtung um eine personelle und gegenständliche Teilauseinandersetzung handeln. Verbleibt aber nur noch ein Miterbe, so ist der ganze Nachlass damit auseinandergesetzt. Denn die aus zwei Miterben bestehende Erbengemeinschaft erlischt kraft Gesetzes durch Abschichtung eines der beiden Miterben; der Nachlass wird Alleineigentum des verbleibenden Erben. Dabei handelt es sich um eine erbgangsgleiche Universalsukzession. Die Abschichtungsvereinbarung führt nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, sondern dazu, dass die Erbengemeinsc...