Ralf Mangold, Walter Krug
I. Bewertung bei Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebs
Rz. 576
Für die Bewertung eines landwirtschaftlichen Betriebs ("Landgut") im Falle seiner Übernahme durch einen Miterben aus der Erbengemeinschaft sieht § 2049 BGB eine Sonderregelung vor: Als Übernahmewert ist der im Gegensatz zum Verkehrswert häufig niedrigere Ertragswert anzusetzen.
Der Übernehmer soll sich durch die Auszahlung an die anderen Miterben nicht so hoch verschulden müssen, dass er den Hof gar nicht weiterführen könnte.
Rz. 577
Landgut ist eine Besitzung, die eine zum dauerhaft selbstständigen Betrieb der Land- oder Forstwirtschaft geeignete Wirtschaftseinheit darstellt, und die mit den erforderlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden ausgestattet ist.
§ 2049 BGB stellt jedoch nur eine Auslegungsregel dar für den Fall, dass der Erblasser einem Miterben ein Übernahmerecht eingeräumt hat. Der Erblasser kann auch eine abweichende Anordnung treffen.
Der Ertragswert wird nach § 2049 Abs. 2 BGB auf der Grundlage des Reinertrags ermittelt. Wie der Ertragswert aus dem Reinertrag zu errechnen ist, sagt § 2049 BGB nicht. Art. 137 EGBGB ermöglicht es den Ländern, hierzu nähere Bestimmungen zu treffen.
Je nach Bundesland wird teilweise das 25-fache, teilweise das 18-fache und in Niedersachsen das 17-fache des jährlichen Reinertrags als Ertragswert angenommen.
§ 48 Ba.-Wü. AGBGB bestimmt:
Zitat
(1) Bei der Berechnung des Ertragswerts ... wird der jährliche Reinertrag des Landgutes durch Schätzung ermittelt.
(2) Als Ertragswert gilt das 18-fache des jährlichen Reinertrags.
Art. 68 BayAGBGB sieht ebenfalls den 18-fachen jährlichen Reinertrag als Ertragswert an.
II. Landwirtschaftliches Sondererbrecht
1. Gesetzeslage
Rz. 578
Die meisten alten Bundesländer – nicht auch die neuen – haben Sonderregeln für die Vererbung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe erlassen. Neben diesen Sondervorschriften auf Länderebene eröffnet § 13 GrdstVG die Möglichkeit der Zuweisung eines Hofes an einen Miterben als bundeseinheitliche Regelung, und damit gibt es auch in den neuen Bundesländern ein besonderes Landwirtschaftserbrecht. Ermächtigungsgrundlage für landesrechtliche Sonderregeln ist Art. 64 EGBGB. Die Sondervorschriften weichen zum Teil erheblich von den §§ 1922 ff. BGB ab.
Rechtspolitischer Hintergrund ist das agrarpolitische Interesse an der geschlossenen Vererbung landwirtschaftlich lebensfähiger Einheiten. Aus diesem Grund soll es einem Hoferben – bei Ehegatten auch beiden – ermöglicht werden, die Rechtsnachfolge in einen Hof anzutreten. Um dieses Ziel zu erreichen, sind insbesondere Bestimmungen über die Abfindung weichender Erben erforderlich. Wobei sich die Abfindungsleistungen nicht am Verkehrswert des Hofes orientieren können, weil der Übernehmer andernfalls finanziell überfordert wäre.
2. Die Höfeordnung
a) Rechtsgrundlage
Rz. 579
Die Höfeordnung gilt seit 1.7.1976 in den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, und zwar als partikuläres Bundesrecht gem. Art. 125, 72 Abs. 2, 74 Nr. 1 GG. Nur im Saarland, in Bayern, in Berlin und in den neuen Bundesländern gelten keine höferechtlichen Sonderregelungen. In Baden-Württemberg gilt unterschiedliches Recht (vgl. unten Rdn 589).
Rz. 580
Der HöfeO unterfallen alle land- und forstwirtschaftlichen Besitzungen mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle, die sich im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im gemeinschaftlichen Eigentum von Ehegatten befindet, sofern sie einen nach § 46 BewG bestimmten Wirtschaftswert von mindestens 10.000 EUR haben, § 1 Abs. 1 HöfeO.
Begriffsbestimmung: § 1 Abs. 2 GrdstVG.
Höfe mit einem Wirtschaftswert zwischen 10.000 EUR und 5.000 EUR erhalten die Hofeigenschaft durch entsprechende, öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Landwirtschaftsgericht und mit der Eintragung des Hofvermerks im Grundbuch (§ 1 Abs. 1 HöfeO, §§ 2 ff. HöfeVfO. Ein Hof, dessen Wirtschaftswert weniger als 5.000 EUR beträgt und der im Eigentum von Ehegatten steht, wird gem. § 1 Abs. 2 HöfeO mit der Eintragung des Hofvermerks im Grundbuch zum Ehegattenhof.
Die Hofeigenschaft kann verloren gehen oder aufgegeben werden, indem der Hofeigentümer den Hofvermerk im Grundbuch löschen lässt, § 1 Abs. 4 HöfeO. Vgl. im Einzelnen Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen, HöfeO, 11. Aufl. 2015.
BGH, Beschl. v. 26.10.1999 – BLw 2/99:
Zitat
"Ob die Hofeigenschaft ohne Löschung des Hofvermerks weggefallen ist, weil keine landwirtschaftliche Besitzung mehr besteht, hat in erster Linie der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Falles zu beurteilen."
BGH, Beschl. v. 29.11.2013 – BLw 4/12:
Zitat
"Ob beim Erbfall trotz des im Grundbuch eingetragenen Hofvermerks die Hofeigenschaft entfallen war, beurteilt sich danach, ob der Erblasser den landwirtschaftlichen Betrieb endgültig eingestellt hatte."