Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 16
Nach § 534 BGB besteht keine Herausgabeverpflichtung für Pflicht- und Anstandsschenkungen. Pflicht- und Anstandsschenkungen können auch nicht widerrufen werden. Eine Schenkung kann auch nur teilweise unter § 534 BGB fallen, weil sie das Maß einer Pflicht- oder Anstandsschenkung überschreitet.
Die Begriffe tauchen an vielen anderen Stellen im Gesetz auf (§§ 814, 1804, 2330 BGB), wenn es um vergleichbare Zielsetzungen geht. Die hierzu ergangene Rechtsprechung kann insoweit herangezogen werden.
a) Anstandsschenkungen
Rz. 17
Anstandsschenkungen verweisen auf kulturell oder sozial veranlasste Schenkungen. Eine Schenkung aus "Anstand" ist gegeben, wenn die Zuwendung nach den Anschauungen, wie sie in den dem Schenkenden sozial gleichstehenden Kreisen vorherrschen, nicht unterbleiben könnte, ohne dass dort der Schenkende an Achtung und Ansehen verlieren würde. Das sind nach Auffassung des BGH Zuwendungen, die schon vom Anlass her oder wertmäßig nach allgemeiner Verkehrsanschauung als Anstandsschenkungen gelten, z.B. gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke des täglichen Lebens (§ 134 Abs. 2 InsO) oder übliche Geschenke unter nahen Verwandten. Auf Zuwendungen jedoch, welche sich nicht bereits generell durch typische Merkmale als Anstandsschenkungen erweisen, ist § 534 BGB nur anwendbar, wenn sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalles von dem gesetzlichen Sinngehalt erfasst werden.
Die Geschenke müssen mit Hinblick auf einen möglichen Ansehensverlust geradezu geboten sein.
Zum Teil werden die beiden Zuwendungstatbestände nicht sauber auseinandergehalten, auch nicht in der Rechtsprechung. Das zeigt die Diskussion darüber, ob Pflegeleistungen eine sittliche Pflicht zur Schenkung begründen oder eine Anstandsschenkung rechtfertigen können.
Rz. 18
Anstandsschenkungen sind nach der älteren Rechtsprechung des BGH nicht auf kleinere Zuwendungen beschränkt. Sie können auch "einen sehr erheblichen Wert haben", wenn die erbrachte Leistung erheblich ist. So hat es jedenfalls der BGH 1978 im Zusammenhang mit einer Zuwendung und 30-jährigen Pflege ausgeführt. Ohne größere Diskussion hat der BGH später vertreten, bei der Anstandsschenkung könne es nicht um erhebliche Werte gehen. Anstandsschenkungen seien nach einhelliger Ansicht z.B. kleinere Zuwendungen wie die üblichen Gelegenheitsgaben zu besonderen Tagen oder Anlässen. Werde die Hälfte des wesentlichen Teils des eigenen Vermögens verschenkt, könne von einer Anstandsschenkung nicht die Rede sein. In der Literatur schwanken die Ansichten bei hohen Vermögenswerten zwischen vollkommen abzulehnen und "kaum zu bejahen". Anstandsschenkungen müssen sich daher in angemessenem Rahmen halten und der Leistungsfähigkeit des Schenkers entsprechen. Bei erheblichen Beträgen kommt nur die sittliche Pflicht als Schenkungsgrund in Betracht. Das Thema "geleistete Pflege" und die Zuwendung eines größeren Vermögenswertes wird deshalb weitgehend nur noch unter dem Gesichtspunkt der sittlichen Pflicht zur Schenkung diskutiert.
Rz. 19
Aber auch die kleineren Beträge – z.B. Zuwendungen von Großeltern an ihre Enkelkinder – werden von der aktuellen Rechtsprechung nicht ohne weiteres als Anstandsschenkungen anerkannt. So entschied das OLG Celle in Bezug auf eine monatliche Zuwendung einer Großmutter an ihre beiden Enkelkinder in der Form des Bonussparens in Höhe von monatlich je 50 EUR bei einem Renteneinkommen der Großmutter in Höhe von 1.250 EUR gegen eine Anstandsschenkung. Der Charakter der monatlichen Zahlung über einen langen Zeitraum, um ein Vermögen zugunsten der beschenkten Enkelkinder aufzubauen, spreche ebenfalls gegen eine Anstandsschenkung. Das LG Aachen bejahte den Charakter einer Anstandsschenkung bei monatlichen Taschengeldzahlungen eines Großvaters in Höhe von 50 EUR, die das beschenkte Enkelkind angespart hatte.
b) Sittlichkeitsschenkungen
Rz. 20
Sittlich gebotene Schenkungen zielen auf die Moral ab. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass das Unterlassen der Sch...