Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 163
Von besonderer praktischer Bedeutung ist der Ausschluss der Rückforderung wegen Zeitablaufs. Sind zur Zeit des Eintritts der Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstands zehn Jahre verstrichen, so ist die Herausgabe endgültig ausgeschlossen (§ 529 Abs. 1 Alt. 2 BGB).
Die Frist beginnt mit dem Vollzug der Leistung. Der Beginn der in § 529 Abs. 1 Alt. 2 BGB vorgesehenen Zehnjahresfrist wird nicht dadurch gehindert, dass sich der Schenker an dem verschenkten Grundstück ein lebenslanges Nutzungsrecht vorbehalten hat. Die für den Fristbeginn maßgebliche Leistung ist nicht genauso zu verstehen wie das gleichlautende Tatbestandsmerkmal in § 2325 Abs. 3 BGB. Der BGH hat entschieden, dass es bei der Schenkung eines Grundstücks zur Leistung des geschenkten Gegenstands i.S.v. § 529 Abs. 1 Alt. 2 BGB genügt, dass der Beschenkte nach dem formgerechten Abschluss des Schenkungsvertrages und der Auflassung einen Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt eingereicht hat. In der Literatur wird dies kritisiert und auf die Eintragung im Grundbuch abgestellt.
Rz. 164
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 2325 Abs. 3 BGB zur Schenkung von Grundbesitz unter Vorbehaltsnießbrauch ist im Zusammenhang mit § 529 BGB nicht anzuwenden. Der Beschenkte ist im Rahmen des § 529 BGB schutzwürdig, unabhängig davon, ob er bereits tatsächlich die wirtschaftlichen Nutzungsbefugnisse des Geschenkes hat oder nicht.
Das Entstehen des Anspruchs und damit das Anlaufen der Zehnjahresfrist auf Schenkungsrückforderung hängt nicht von einer Entscheidung des Schenkers ab und wird nicht formell an der erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs, sondern am Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers festgemacht. So jedenfalls formuliert es der BGH, der dann allerdings missverständlich weiter formuliert, dass für die Einstandspflicht die Einkommens- und Vermögenslage des Schenkers im Zeitpunkt der zur Bewilligung der Hilfe führenden Beantragung von Sozialhilfe maßgeblich ist, nicht dagegen die Einkommens- und Vermögenslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über den übergeleiteten Anspruch.
Rz. 165
Auch in einer Nachfolgeentscheidung heißt es, dass für die Beurteilung der Bedürftigkeit allein auf die Einkommens- und Vermögenslage im Zeitpunkt der Bewilligung der Sozialhilfe abzustellen sei, wenn ein Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht den Anspruch des Schenkers gegen den Beschenkten geltend macht. Die Literatur vertritt dazu die Auffassung, es entspreche dem Normzweck, wenn jedenfalls der Schenker die Rückgabe des Geschenks verlangen kann, sobald bei objektiver Betrachtung feststeht, dass zur Deckung eines bevorstehenden Notbedarfs Aufwendungen erforderlich sind.
Rz. 166
In der Praxis wird manchmal vertreten, man könne einen bedürftigen Schenker "über die Zehn-Jahres-Schwelle heben", indem man ihm Darlehen oder Schenkungen gewährt oder ihn allmonatlich alimentiert. Das ist m.E. falsch, denn für die Entstehung des Anspruchs kommt es auf den Eintritt der Bedürftigkeit an und der liegt an dem Tag, an dem der Bedürftige sich aus eigener Kraft und mittels eigenen Einkommens und/oder Vermögens nicht mehr selbst helfen kann. Die Unterstützungsleistungen des Beschenkten stellen bereits die Erfüllung des Schenkungsrückforderungsanspruchs nach § 528 BGB dar.
Hinweis
Einen gewissen Einfluss kann man über § 529 Abs. 2 BGB nehmen. Dabei wird auf den zuletzt Beschenkten bzw. bei mehreren Geschenken an eine Person auf das letzte Geschenk zuerst zurückgegriffen. Es kann sich daher ggf. empfehlen, Geschenke so aufzusplitten, dass bei Nichterreichen der Zehnjahresfrist für das letzte Geschenk auf jeden Fall bei Verbrauch des betroffenen Vermögens die Zehnjahresfrist für das vorhergehende Geschenk abgelaufen ist.