Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 116
Grundsätzlich muss man sich auch mit Gründen zur Verringerung des Wertes auseinandersetzen. Der "Fehler" in der vorstehenden Ausgangsbewertung des Wohnungsrechtes dürfte darin liegen, dass die Berechnung bei Zuwendung einer vereinbarten lebenslangen Nutzung des Wohnungsrechtes ausgeht, die aber bereits zwei Jahre später wegen eintretender Pflegbedürftigkeit nicht mehr stattfindet konnte und von Anfang an auch gar nicht zwingend lebenslang gedacht war. Vergleicht man sie nämlich mit der zeitlichen Begrenzung der vereinbarten Pflege ("solange sie auf dem Grundstück möglich ist"), so war sie zwar als lebenslang möglich vereinbart, aber das Pflegebedürftigkeitsrisiko in einem Heim war bereits mitgedacht. Insoweit ist eine Wertminderung einkalkuliert und ein Abschlag dürfte nötig sein.
Rz. 117
Die Schwierigkeit solcher Abschläge besteht in der Wahl der Bezugsgrößen. Musterfälle sind dazu nur schwer zugänglich und Zahlenwerte müssen in jedem Einzelfall ermittelt werden. Das kann eigentlich nur ein Sachverständiger, oder man müsste – wie bei § 287 Abs. 2 ZPO – schätzen. So wird das Pflegerisiko – abgeleitet aus den Zahlen der Pflegefälle der gesetzlichen Pflegeversicherung – 2015 für einen 70–75-jährigen Mann bei 17,23 % gesehen. Die Verweildauer der Restlebenszeit im Heim wird von z.B. Hauß bei einem 72-jährigen Mann mit 2,6 % und der Barwertfaktor bei einem Rechnungszins von 2 % mit 5,76 angenommen.
Hauß nimmt generell an, dass Wertkorrekturen durch Pflegrisiko in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen. Die Übertragung auf Dritte unter dem Vorbehalt eines Wohnrechts erfolge zumeist in einem Alter, in dem der Pflegrisikoabschlag unter 10 % liege. Da erst mit hohem Alter das Pflegerisiko steige, aber auch die Lebenserwartung signifikant abnehme, wirke sich auch bei steigender Pflegewahrscheinlichkeit diese auf ein lebenslanges Nutzungsrecht kaum aus und könne vernachlässigt werden.
Rz. 118
Das alles sind Aspekte, die die Beteiligten bei ihrer Bewertung im Fallbeispiel 109 mutmaßlich nicht oder so nicht einkalkuliert haben. Das müssen sie auch nicht, weil sie nach dem Prinzip der subjektiven Äquivalenz die Wertverhältnisse subjektiv festlegen können. Um aber sodann in einem nächsten Schritt feststellen zu können, ob eine Vermutung für eine Schenkung streitet, braucht man als Bezugsgröße gleichwohl einen einigermaßen objektivierten Wert. Der wiederum hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
So können weitere Wertkorrekturen anzubringen sein. Abzüge sind z.B. vorzunehmen, wenn die Ausgestaltung des Nutzungsrechtes von den gesetzlichen Vorgaben abweicht und der Nießbrauchsberechtigte entgegen § 1041 BGB auch die außergewöhnlichen Instandhaltungsarbeiten zu übernehmen hat.
Bei vorbehaltenem Nießbrauch kann der Berechtigte dem Zuwendungsempfänger z.B. auch eingeräumt haben, die Immobilie mitzubenutzen. Dann kann ein solches Wohnungsrecht umgekehrt den Nießbrauch mindern.