Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 167
Nach § 529 Abs. 2 BGB hat der Beschenkte die Möglichkeit, die Herausgabe des Geschenkes zu verweigern, wenn dadurch sein eigener angemessener Unterhalt gefährdet wird. Hierzu reicht es aus, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass der Beschenkte bei Erfüllung des Herausgabeverlangens zukünftig nicht mehr in der Lage sein wird, seinen Unterhalt selbst sicherzustellen oder seinen eigenen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Der Beschenkte ist allerdings vorrangig auf eine Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit zu verweisen.
Rz. 168
Der Begriff des standesgemäßen Unterhalts war bisher mit dem Begriff des angemessenen Unterhalts gleichzusetzen. Heranzuziehen war die Rechtsprechung des BGH zum angemessenen Selbstbehalt bei Unterhaltsansprüchen von Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder. Danach brauchte das Kind eine spürbare und dauerhafte Absenkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus jedenfalls dann nicht hinzunehmen, wenn es nicht unangemessenen Aufwand betreibt oder ein Leben in Luxus führt. Dazu hat man zuletzt die Selbstbehalte von 2.000 EUR für den Beschenkten und 1.600 EUR für dessen Ehegatten zugrunde gelegt (Düsseldorfer Tabelle D I. bis 31.12.2020).
Rz. 169
Seit 1.1.2021 gilt jedoch das Angehörigenentlastungsgesetz und die 100.000 EUR Einkommensgrenze für das unterhaltspflichtige Kind. Damit lassen sich die bisherigen Selbstbehaltssätze nicht halten, auch wenn die Leitlinien der OLGs ab 2021 z.T. erneut auf die alten Selbstbehaltssätze abstellen und lediglich eine Korrektur im Rahmen des Angehörigenentlastungsgesetzes eröffnen. (Vgl. z.B. Düsseldorfer Tabelle "Dem Unterhaltspflichtigen ist der angemessene Eigenbedarf zu belassen. Bei dessen Bemessung sind Zweck und Rechtsgedanken des Gesetzes zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigenentlastungsgesetz) vom 10. Dezember 2019 (BGBl I S. 2135) zu beachten.") Realistisch wird man von Selbstbehaltssätzen von 4.700 EUR bis 5.000 EUR ausgehen müssen. Damit wäre ein Schenkungsrückforderungsanspruch dann aber grundsätzlich überhaupt nicht mehr zu realisieren. Die alte Rechtsprechung wird also nicht mehr ohne weiteres angewendet werden können.
Rz. 170
Der Beschenkte muss zur Erfüllung des Schenkungsrückforderungsanspruchs ggf. auch den Stamm seines Vermögens einsetzen, wenn dies nicht zu unvertretbaren Nachteilen führt. Die Veräußerung eines nach den übrigen Verhältnissen der Familie des Beschenkten angemessenen Familienhauses konnte bisher aber eher nicht verlangt werden. Ob die Angemessenheit so zu beurteilen ist wie im Elternunterhalt, ist dabei ungeklärt geblieben. Zum Teil wurde angenommen, dass der Beschenkte sein Familienheim in der Regel nicht veräußern müsse, z.T. wurde von einem engeren Begriff der Angemessenheit ausgegangen. Z.T. wurde davon ausgegangen, dass der Selbstbehalt niedriger als beim Elternunterhalt anzusetzen sei.
Rz. 171
Der Unterhaltsschuldner kann – soweit die Veräußerung des Familienheims nicht zumutbar ist – verpflichtet sein, durch Aufnahme eines Darlehens Mittel für den Unterhalt zu beschaffen und einzusetzen. Die Obliegenheit zur Kreditaufnahme ist begrenzt durch die Möglichkeit, Zins- und Tilgungszahlungen für das neue Darlehen aufzubringen. Die Erhöhung einer Verschuldung, deren Amortisation die finanziellen Möglichkeiten des Unterhaltspflichtigen übersteigt, zur Aufbringung zusätzlicher für Unterhaltszwecke einzusetzender Mittel, ist grundsätzlich nicht zumutbar.
Hinweis
§ 529 Abs. 2 BGB ist eine anspruchshemmende Einrede, die nicht dem Rückforderungsanspruch an sich, sondern nur dessen gegenwärtiger Durchsetzung entgegensteht. Eine Änderung der Situation kann also doch noch zur Leistungspflicht führen.
Rz. 172
Die Berufung auf § 529 Abs. 2 BGB kann im Einzelfall ausgeschlossen sein. Das gilt aber nicht generell deshalb, weil die Beteiligten eine sittenwidrige Zielsetzung verfolgten. Der BGH hat entschieden, dass aus der sittenwidrigen Zielsetzung eines Rechtsgeschäftes nicht stets dessen vollständige Nichtigkeit resultiere. Grundsätzlich ist es insoweit unerheblich, wann und wodurch die eigene Bedürftigkeit des Beschenkten bzw. seines Erben entstanden ist.
Die Berufung auf die eigene Bedürftigkeit durch den Beschenkten stellt allerdings eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Beschenkte (bzw. sein Erbe) Kenntnis vom Notbedarf des Schenkers gehabt – und gleichwohl die eigene Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt – hat. Nicht anders ist es, "wenn dem Sozialhilfeträger der Rückforderungsanspruch faktisch abgeschnitten wird, weil die Vertragsparteien entweder wissen, dass eine Rückgabe des Geschenks den angemessenen Unterhalt des Beschenkten gefährdete oder der Beschenkte zumindest keinen Anlass zu der Annahme hat, er werde den Rückforderungsanspruch des Sozialhilfeträgers ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts erfüllen können."