Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 93
Differieren Leistung und "Gegenleistung", so ergibt sich daraus noch nicht zwingend eine Schenkung für den überschießenden Teil der Transferleistungen. Es kann auch eine gemischte Schenkung vorliegen. "Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn der Beschenkte durch einen Überschuss des Wertes der Zuwendungen verglichen mit seinen Gegenleistungen objektiv bereichert wird, die Vertragsparteien sich dieses Überschusses bewusst und subjektiv darüber einig sind, jedenfalls den überschießenden Zuwendungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden."
aa) Beweisfragen
Rz. 94
Das Bestehen einer Entgeltlichkeitsverknüpfung muss nach den Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall ermittelt werden. Die Qualifizierung eines Vertrages als Schenkung oder Vorwegnahme der Erbfolge durch einen Notar beweist die Schenkung nicht. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Anhaltspunkt, dem entgegentreten werden kann. Es ist Aufgabe des Tatrichters, den Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände auszulegen einschließlich seiner Vorgeschichte und der Interessenlage der Beteiligten.
Eine Vermutung für den Schenkungscharakter von Leistungen unter nahen Verwandten kennt das Gesetz nur in den engen Grenzen der §§ 685, 1620 BGB.
Der Verpflichtete muss die Entgeltlichkeit nicht beweisen, sondern der Sozialleistungsträger oder der Bedürftige haben die Unentgeltlichkeit der Zuwendung zu belegen. Allerdings trifft den Beschenkten für die gegenteilige Behauptung eine sekundäre Darlegungslast.
bb) Das Bewusstsein und die Akzeptanz der Wertedifferenz
Rz. 95
Grundsätzlich wird zwischen den Beteiligten das Bewusstsein des Bestehens einer Wertedifferenz vorausgesetzt. Das fehlt, wenn die Beteiligten – ohne jede Willkür – von einer gleich hohen Bewertung von Leistung und Gegenleistung ausgehen.
Außerdem muss für eine (teilweise) Schenkung Einigkeit beider Beteiligter darüber bestehen, dass die Wertedifferenz unentgeltlich, d.h. unabhängig von einer den Wertunterscheid ausgleichenden Gegenleistung sein soll. Es kann aber sein, dass die Beteiligten sich eines Unterschieds bewusst waren und trotzdem keinen höheren "Preis" vereinbaren wollten ("gewollt günstiger Preis").
Rz. 96
Grundsätzlich steht es den Beteiligten frei, den Wert der Gegenleistung nach ihren Vorstellungen festzulegen. Die Vertragsparteien können subjektiv den Wert der Zuwendung und den Wert der Leistungen des Zuwendungsempfängers sowie die Frage nach einem Rechtsgrund einzelner Gegenpositionen im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre anders bewerten und anders in Rechnung stellen, als dies für die Frage einer objektiven Bereicherung sowie den rechtlichen Vorgaben einer bereicherungsrechtlichen Schutzposition geboten ist.
Rz. 97
Grundsätzlich müssen die Bewertungen der Beteiligten anerkannt werden. Es gilt das Prinzip der subjektiven Äquivalenz, d.h., die Beteiligten bestimmen den Wert von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich selbst. Hierfür sind nicht nur die objektiven Werte der Leistungen, sondern vor allem auch die Wertspannen zu berücksichtigen, innerhalb derer die Vertragsparteien den Wert der Leistungen auch unter Berücksichtigung der Beziehung, in der sie zueinanderstehen, in einer noch vertretbaren Weise hätten annehmen können.
Im Kontext eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs hat der BGH z.B. einmal ausdrücklich darauf abgestellt, dass es einem Zuwendenden nicht verwehrt ist, den Zuwendungsempfänger "durch eine vorteilhafte Überlassung des Hauses an sich zu binden und sich so dessen Betreuungs- und Pflegedienste für das herannahende Alter zu sichern", auch wenn die Pflichtteilsberechtigten dadurch benachteiligt würden. Das belegt, dass ein Zuschlag auf eine "übliche" Vergütung zu akzeptieren ist. Andererseits darf man bei dieser Argumentation nicht aus den Augen verlieren, dass sich beim Zusammentreffen von Beschenkten und Sozialhilfeträger das Motiv des Zuwendenden ja gerade nicht realisiert hat. An die Stelle von Betreuung und Pflege zu Hause ist das Heim getreten. Man wird also überlegen müssen, ob dann, wenn sich das Ziel des Zuwendenden durch Gründe, die in seiner Person liegen, gar nicht realisiert hat, man dem Zuwendungsempfänger versagen darf, sich auf den "Heimvermeidungsbonus" zu berufen.
Rz. 98
Nach der Rechtsprechung des BGH sind familienrechtliche Sonderbeziehungen in der einen wie in der anderen Richtung zu berücksichtigen. So könne es z.B. zwischen Ehegatten als nicht selbstverständlich angesehen werden, wenn langjährige Dienste aufgrund einer nachträglichen Vergütungsvereinbarung voll bezahlt würden. ...