Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 74
Der Gegenseitigkeit der Pflichten aus einem gegenseitigen Vertrag steht die konditionale Verknüpfung der Leistungen zwischen Zuwendendem und dem Zuwendungsempfänger gleich. Dabei ist die Zielsetzung der Beteiligten von vorneherein auf eine Gegenleistung gerichtet, der mit der Leistung bezweckte Erfolg ist aber nicht einklagbar. Für die Bejahung der Entgeltlichkeit der erwarteten Leistung ist es ausreichend, aber auch notwendig, dass die Leistung des einen Teils Bedingung für die Verpflichtung des anderen Teils sein soll. Ob es sich dabei um eine gleichwertige Gegenleistung handelt, ist für die Notwendigkeit der rechtlichen Verknüpfung an sich nicht erheblich.
Rz. 75
Entscheidend ist, dass zwischen Empfänger und Leistendem eine tatsächliche Willenseinigung über die Bedingung bzw. den verfolgten Zweck erzielt wird. Eine einseitige Erwartung reicht nicht aus. Eine solche Einigung ist stillschweigend möglich. Das kann z.B. anzunehmen sein, wenn der eine Teil mit der Leistung einen bestimmten Erfolg bezweckt, der andere dies erkennt und zu verstehen gibt, dass er die Zweckbestimmung billigt. Will der Empfänger die Leistung nicht unter den ihm bekannten Voraussetzungen annehmen, so muss er das sagen; anderenfalls verlangen Treu und Glauben, dass sein Verhalten als Einverständnis gewertet wird.
Rz. 76
Der Zuwendungszweck darf auch nicht nur Motiv des Leistenden sein. Der Zweck muss Gegenstand der Vereinbarung geworden sein. Gemeint ist deshalb keine vertragliche Bindung im vorstehend erörterten Sinne. Liegt sie vor, ist das Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen des Vertragsrechts zu beurteilen.
Rz. 77
Fallbeispiel 107: Die bezahlte Pflege
Tochter T und Mutter M wohnen in einem Haushalt. M wird heimpflegebedürftig, nachdem T sie nach einem Schlaganfall bereits seit fünf Jahren zu Hause gepflegt hat. Mutter M wendet der Tochter T deshalb von den vorhandenen 40.000 EUR insgesamt 35.000 EUR wegen der erbrachten Pflege und Versorgungsleistung zu. Dabei gehen beide davon aus, dass der Schonvermögensbetrag in der Sozialhilfe bei 5.000 EUR liegt.
Das Sozialamt verweist die Mutter auf den Schenkungsrückforderungsanspruch gegen die Tochter und verweigert Leistungen.
Rz. 78
Falllösung Fallbeispiel 107:
Die Leistungsverweigerung im vorstehenden Fall ist zunächst einmal rechtswidrig, weil es der Mutter sozialhilferechtlich an den sog. "bereiten" Mitteln fehlt. Richtigerweise hätte das Sozialamt vorleisten und den Nachrang der Leistung durch Überleitung des Anspruchs gegen die Tochter nach § 93 SGB XII herstellen müssen. Der übergeleitete Anspruch müsste dann in der Zivil- oder Arbeitsgerichtsbarkeit geklärt werden.
Dazu muss man sich mit den Fällen der Vergütungserwartung und ihres Fehlgehens beschäftigen. Das sind die Fälle, in denen Leistungen nach den Umständen des Falles nur gegen eine Vergütung erwartet werden können und beide Seiten dies erkannt haben und so wollten. Die künftige Übertragung eines Vermögenswertes gegen Dienstleistung wird in Aussicht gestellt, kann aber nicht rechtgeschäftlich erzwungen werden. Ist es die Aussicht Erbe zu werden, so kommt eine solche Vereinbarung nicht zur Wirkung, weil sie ein Verstoß gegen § 2302 BGB ist. Es bedarf einer Ausweichlösung. Die Wege zu einer solchen Lösung sind unterschiedlich und wie bereits vorstehend ausgeführt, nur schwer voneinander abzugrenzen.
Rz. 79
"Reparaturmöglichkeiten" für fehlgeschlagene Vergütungserwartungen werden z.T. unmittelbar aus § 612 BGB hergeleitet, obwohl es am regelrechten Dienstvertrag fehlt. Z.T. wird die Reparatur über § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB – dem Anspruch auf Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung – durchgeführt. Ein solcher Anspruch ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die erbrachten Leistungen im Rahmen familienrechtlicher Pflichten (z.B. § 1619 BGB) oder Obliegenheiten (§ 1618 a BGB) erbracht werden. Ein solcher Anspruch kommt aber immer nur dann in Betracht, wenn es eine entsprechende Zweckabrede zwischen den Beteiligten gegeben hat. Die vorstehenden Fallbeispiele geben dazu nichts her, so dass der Schenkungsrückforderungsanspruch berechtigt im Raume steht. In der Praxis ist es deshalb Aufgabe des Anwalts, die Umstände des Einzelfalles genau auszuloten. Der Weg für solche Fälle geht über die nachfolgend vorgestellte vorweggenommene Erfüllungshandlung, die die Zuwendung als vorweggenommenes Entgelt betrachtet für etwas, was eigentlich erst später erfolgen sollte.