Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 125
"Bereicherung" im Sinne des Schenkungsrechts ist eine objektive, im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise festzustellende Vermögensmehrung, die durch einen Vermögensvergleich vor und nach der Schenkung festzustellen ist. Um auf der objektiven Ebene zu einem Wertunterschied zwischen dem Zuwendungsgegenstand und den Leistungen des Zuwendungsempfängers zu kommen, bedarf es zunächst einer objektiven Ermittlung des Werts.
Bei einer Verpflichtung zu "Pflege und Wart" im Rahmen eines Altenteils/Leibgedings nimmt die Rechtsprechung in der Regel eine Schenkung unter Auflage an. Außerhalb einer solchen Fallkonstellation wird das nicht thematisiert. Die übernommene Pflege- und/oder Betreuungsleistung wird hier in einer der vorstehend dargestellten Formen in einer rechtlichen Abhängigkeit zur Zuwendung gesehen und die Zuwendung damit als entgeltlich angesehen. Sie gilt die Zuwendung ganz oder teilweise ab und kann insoweit den Schenkungsrückforderungsanspruch des § 528 BGB zu Fall bringen.
Rz. 126
Letztlich ist es für die Bewertung der erbachten Leistung irrelevant, ob die Leistung als Auflage oder als Gegenleistung vereinbart ist. In beiden Fällen kommt man im Ergebnis zu einer Wertminderung, nur die Rückabwicklungswege sind unterschiedlich. Einmal wird die Wertminderung direkt beim Zuwendungsgegenstand gesehen; im anderen Fall ergibt der Vergleich, in welchem Umfang Entgeltlichkeit und in welchem Umfang Unentgeltlichkeit vorliegt.
(1) Was genau ist Pflege? Was Versorgung? Was Betreuung/Kümmern?
Rz. 127
Der Zuwendungsempfänger kann sich verpflichten bzw. verpflichtet haben, dem Zuwendenden "Pflege und Wart" zu erbringen. Die Pflegeverpflichtung kann durch Eintragung einer Reallast (§ 1105 BGB) im Grundbuch gesichert sein. Der Zuwendungsempfänger kann sich der sofortigen Zwangsvollstreckung wegen der Pflegeverpflichtung unterwerfen (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) und der Zuwendende kann sich bei nachhaltiger Verletzung der Pflegeverpflichtungen die Rückforderung vorbehalten, die durch Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch sicherbar ist (§ 883 Abs. 1 S. 2 BGB).
In der allgemeinen Diskussion ist schon die Bestimmung dessen, was tatsächlich als Gegenleistung geschuldet sein soll, schwierig, und zwar deshalb, weil zwischen den Beteiligten immer pauschal von "Pflege" gesprochen wird, ohne dass klar ist, was eigentlich Pflege ist und wie sie sich von Betreuung, hauswirtschaftlicher Versorgung und bloßem Kümmern unterscheidet etc.
Rz. 128
Es gibt unterschiedlichste Definitionen, was die Bewertung nicht erleichtert. Pflege z.B. im erbschaftsteuerlichen Sinne wird als die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person verstanden. Die Gewährung von Pflege setzt danach begrifflich eine wegen Krankheit, Behinderung, Alters oder eines sonstigen Grundes bestehende Hilfsbedürftigkeit des Pflegeempfängers voraus. "Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Leistungen regelmäßig und über eine längere Dauer erbracht worden sind.…. Nur gelegentliche Botengänge oder Besuche, die nicht über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen, reichen nicht aus. Die erbrachten Leistungen müssen im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben".
Rz. 129
In der Sachverständigenliteratur wird wegen der früheren Begrifflichkeiten in alten Übergabeverträgen zwischen "Pflege und Wart" unterschieden, wobei Letztere eine Hilfsverpflichtung und von den Pflegeverpflichtungen zu unterscheiden sein soll.
In juristischen Handbüchern wird z.T. empfohlen, sich für die Pflegeverpflichtungen an den Begrifflichkeiten des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) zu orientieren und zur Bewertung dann ggf. den Wert der dort genannten Sachleistungen (§ 36 SGB XI) oder des Pflegegeldes (§ 37 SGB XI) heranzuziehen. Das ist aber schon deshalb problematisch, weil vor 2017 ein anderer gesetzlicher Pflegebedürftigkeitsbegriff des § 14 SGB XI galt als danach. Sprach man damals von "Grundpflege" und "hauswirtschaftlicher Versorgung", so spricht man heute von "körperbezogenen Pflegemaßnahmen" und "pflegerischen Betreuungsmaßnahmen" sowie von "Hilfen bei der Haushaltsführung". Davon abzugrenzen sind alle Betreuungsmaßnahmen im Alltag.
Rz. 130
Pflegerische Maßnahmen beziehen sich heute auf die sechs Bereiche des § 14 SGB XI ("Module"):
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Mobilität |
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kognitive und kommunikative Fähigkeiten |
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Verhaltensweisen und psychische Problemlagen |
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Selbstversorgung |
▪ |
Bewältigung von und selbstständiger U... |