Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 58
Fraglich ist, ob man die erbrachten Leistungen auf andere Art und Weise in einen irgendwie gearteten Gegenleistungskontext stellen kann. Zunächst ist immer danach zu forschen, ob die Beteiligten nicht doch zumindest konkludent vereinbart haben, dass mit der Zuwendung einerseits entsprechend bedeutsame und erhebliche Dienstleistungen andererseits "eingekauft" werden sollten. Im Rahmen von § 612 BGB gibt es Fallkonstellationen, bei denen zwischen den Beteiligten vorausgesetzt wird, dass eine Dienstleistung geschuldet sein soll, die den Umständen nach nur gegen Vergütung erwartet werden kann und erbracht wird. In diesen Fällen kommt eine Vereinbarung zustande, dessen defizitären Ausgestaltung durch § 612 BGB kompensiert wird. Der Dienstverpflichtete hat nach § 612 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf die taxmäßige oder übliche Vergütung, § 612 BGB ersetzt aber nicht die Dienstleistungsvereinbarung als solche, sondern – falls die Leistungen nicht unentgeltlich erbracht werden sollten – nur die fehlende rechtliche bindende Einigung über die Vergütung.
Rz. 59
Eine angemessene Vergütung setzt daher voraus, dass aus den Umständen ein eindeutiger vertraglicher Bindungswille zur entgeltlichen Erbringung von Pflegeleistungen erkennbar wird. Leistungen, die aufgrund einer angenommenen moralischen Verpflichtung erbracht werden, begründen keinen Anspruch auf Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Auch eine bloße Vergütungserwartung für eine normalerweise vergütenswerte Dienstleistung reicht nicht aus.
Diese vertragliche Konstruktion, bei der der Dienstherr stillschweigend – aber erkennbar – vorleistet, um sofort im Bedarfsfall die Leistungen abfordern zu können, dürften in der Praxis eher nicht vorkommen. Sie dürften auch erhebliche Bewertungsprobleme nach sich ziehen. Im Fallbeispiel 105 gibt es auch für eine solche vertragliche Absprache keine Anhaltspunkte.
Hinweis: Vorsorgevollmacht
In der Praxis werden Vorsorgevollmachten immer häufiger. Viele Beteiligte machen sich nicht klar, dass dahinter in der Regel kein Gefälligkeitsverhältnis steht, sondern ein bindendes Rechtsgeschäft. Wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird, wird davon ausgegangen, dass es sich um ein Auftragsverhältnis handelt, also ein Rechtsgeschäft, bei dem es nur Auslagenersatz gibt, aber keine Vergütung. Wer etwas anderes will, sollte wegen des erheblichen Aufwands, den die Ausübung einer solchen Vollmacht machen kann, immer klarstellen, dass Grundlage der erteilten Vollmacht ein Geschäftsbesorgungsvertrag ist, auch wenn nicht ausdrücklich ein schriftlicher Geschäftsbesorgungsvertrag mit Entgeltvereinbarung abgeschlossen wird. Das Fehlen einer solchen Vereinbarung lässt sich mit § 612 BGB reparieren. Besser ist eine ausdrückliche Vereinbarung über ein konkretes Entgelt für die zu erwartenden Tätigkeiten.